Betagter Mann im Unglückscar: «Das würde ich nicht machen»

Aktualisiert

Betagter Mann im Unglückscar«Das würde ich nicht machen»

Der Unglücks-Car von Etroubles war laut Strassenverkehrsamt in Ordnung. Auch der Chauffeur bestand medizinische Tests. In der Kritik steht vor allem das Alter des Fahrers.

Einen Tag nach dem tragischen Car-Unglück auf der Südseite des Grossen St. Bernhards drängen sich einige Fragen auf. Dem Kassier des Neuenburger Fanclubs von Juventus Turin, Claudio Nocera sei berichtet worden, dass der Car «veraltet» war und der Chauffeur «wie verrückt» gefahren sei. Mitglieder des Juve-Fanclubs waren in dem Unglückscar unterwegs. Es stellt sich aber auch die Frage, weshalb das Car-Unternehmen einen 81-jährigen Buschauffeur für die verantwortungsvolle Fahrt einsetzte.

Unfallcar wurde 2007 kontrolliert

Laut einem Communiqué des Kantons Waadt hatte der Chauffeur vor weniger als zwei Jahren die letzten medizinischen Tests bestanden. Ab dem 70. Altersjahr muss sich ein Chauffeur alle zwei Jahre einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Chauffeur nur punktuell oder regelmässig eingesetzt wird. Der Unfallcar wurde 1992 beim Strassenverkehrsamt angemeldet. Auch er bestand im Oktober 2007 die letzte Kontrolle.

Kritik von der Konkurrenz

Warum der betroffene Veranstalter Ouest Voyages in Renens VD einen betagten Mann für die verantwortungsvolle Fahrt einsetzte, fragen sich auch Konkurrenten. Christian Angeloz, Chef eines kleinen Unternehmens aus Villeneuve (VD) antwortete auf die entsprechende Frage: «Nein, das würde ich nicht machen», sagte er der Nachrichtenagentur ATS. Unerfahrene oder pensionierte Fahrer, die aushilfsweise eingesetzt würden, dürften nicht für schwere oder komplizierte Reisen hinters Steuer gesetzt werden. Andere Reiseunternehmen wollten den Unfall nicht kommentieren.

Strecke «gut gekannt»

Veranstalter Ouest Voyages hat die Tour in der Vergangenheit mehrmals ohne Probleme durchgeführt. Laut Lisette Hofer, Angestellte des Unternehmens, kannte der temporär angestellte Fahrer die Strecke gut, wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur SDA sagte. «Er ist Aushilfschauffeur unseres Unternehmens und arbeitet punktuell für uns», erklärte sie.

ASTAG: «Nicht normal»

Er sei überrascht gewesen, dass ein 81-jähriger Chauffeur am Steuer gesessen habe, sagte Michale Gehrken, Direktor des Nutzfahrzeugverbandes ASTAG, auf Anfrage. «Es ist heute nicht mehr normal, so alte Chauffeure zu haben.»

Laut Jean-Richard Salamin, Sekretär der ASTAG-Fachgruppe «Car», herrscht unter den kleinen Reisecar-Unternehmen eine scharfe Konkurrenz. «Sie haben Mühe, und es ist für sie nicht einfach, Chauffeure zu rekrutieren.» Der Chauffeur-Beruf sei immer stressiger geworden.

Zur Firma Ouest Voyages wollte sich Salamin nicht äussern. Er hielt aber fest, dass die Firma vor vier Jahren wegen ausstehender Mitgliederbeiträge von der Mitgliederliste des Reisecar-Verbandes gestrichen worden war.

Der Unglückscar war gestern kurz vor 16 Uhr bei Etroubles (I) in einer Kurve von der Strasse abgekommen und gegen ein Haus gerast. Neben dem 81-jährigen Chauffeur wurde ein 56-jähriger Passagier getötet. 26 Passagiere wurden verletzt.

Marius Egger/SDA

Erste Verletzte aus Spital entlassen

Von den Leicht-Verletzten sollen nach Auskunft des Schweizer Generalkonsuls in Genua, Giancarlo Fenini, acht Personen das Spital bereits wieder verlassen haben. Lebensgefahr bestehe für keine Verletzten mehr.

Wie der Sprecher der Kantonspolizei Waadt, Philippe Jaton, seinerseits sagte, stammen elf Passagiere aus dem Kanton Neuenburg, wo der Bus am Dienstag gegen 13 Uhr gestartet war. Zehn kommen aus der Waadt und sieben aus dem Kanton Bern. (sda)

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