Datenskandal der Zürcher Justiz – jetzt meldet sich Jacqueline Fehr zu Wort

MedienkonferenzDatenskandal der Zürcher Justiz – «es war dilettantisch»

Jahrelang landeten Festplatten der Zürcher Justizdirektion im Drogenmilieu. An einer Medienkonferenz nimmt das Amt Stellung.

von
Lynn Sachs

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Dienstag, 06.12.2022

Zusammenfassung

Bei der Entsorgung von Hardware der Zürcher Justizdirektion kamen zwischen 2006 und 2012 sensible Daten in falsche Hände. Am Dienstag wurde an einer Medienkonferenz über den Vorfall berichtet. Justizdirektorin Jacqueline Fehr sagte zu Beginn: «Es ist nicht zu rechtfertigen, wie in den Nullerjahren Datenträger der Justizdirektion entsorgt wurden. Es war unprofessionell, fahrlässig und allenfalls strafrechtlich relevant. Das hätte so nie passieren dürfen».

Wie sie sagt, seien auch nach der durchgeführten Administrativuntersuchung noch viele Fragen offen. So ist beispielsweise weiterhin unklar, wie viele Daten tatsächlich im Umlauf sind und wie sensitiv diese sind.

Klar ist, dass 2019 etliche physische Daten vernichtet wurden. Das habe die Untersuchung erschwert, sagte Maria Winkler, welche diese durchgeführt hat. «Nach meiner heutigen Beurteilung ist das, was damals geschehen ist, dilettantisch.» Dass 2019 Akten vernichtet wurden, widerspreche verschiedenen aktuell geltenden Vorlagen. Mehr dazu werde die Strafuntersuchung zeigen, so Fehr. Heute könne so etwas nicht mehr passieren.

Zur Kritik, dass das Amt nicht transparent kommunizierte, sagte Fehr: «Man kann die Kommunikationsstrategie kritisieren. Ich weiss auch nicht, ob ich es noch mal so machen würde.» Der Justizdirektion sei Transparenz sehr wichtig. Es gebe aber Gründe, wie polizeiliche Ermittlungen, Strafverfahren oder Persönlichkeitsrechte, welche zur Zurückhaltung beim Herstellen von Öffentlichkeit verpflichteten. Vorwürfe der Intransparenz weist sie zurück. Nach Abschluss der Administrativuntersuchung habe die Datenschutzbeauftragte empfohlen, nicht öffentlich zu kommunizieren.

Der Schlussbericht dieser Untersuchung wurde heute veröffentlicht.

Die Medienkonferenz ist beendet.

«Es war dilettantisch»

Bisher seien nur Daten aufgetaucht, die lokal gespeichert waren, sagt Fehr.

Die Justizdirektorin betont erneut: «Nach meiner heutigen Beurteilung ist das, was damals geschehen ist, dilettantisch.» Dass 2019 Akten vernichtet wurden, widerspreche verschiedenen aktuell geltenden Vorlagen. Mehr dazu werde die Strafuntersuchung zeigen.

Das sagt Fehr zur geforderten PUK

Was halten Sie von der Idee einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), Frau Fehr?

«Ich habe immer die Haltung, dass, wenn eine Untersuchung etwas findet, dann ist es wichtig, dass wir das wissen. Wenn nicht, dann können wir uns anderen Dingen widmen.» Wenn der Kantonsrat eine PUK fordert, werde man kooperieren.

Personelle Konsequenzen

Arbeiten Verantwortliche noch bei der Justizdirektion? «Alle uns bekannten Personen, die damals eine aktive Rolle hatten, arbeiten nicht mehr beim Kanton», antwortet Fehr auf eine weitere Frage.

Geräte weiterverkaufen

Ein Dienstleiter habe die Computer nicht wie vereinbart vernichtet, hiess es in einer Mitteilung vom Freitag. Ein Journalist sagt, dass dies aber nie so vereinbart gewesen sei. Ein Dienstleiter habe die Geräte weiterverkaufen dürfen. Wieso spricht man von Vernichtung, will er wissen.

Laut Winkler habe der Mann Geräte erhalten, die er nur löschen und andere, die er vernichten hätte müssen. «Er hatte verschiedene Aufträge über längere Zeit.»

Vorsatz bei Aktenvernichtung?

Die Fragerunde ist eröffnet:

Die Aktenvernichtungsaktion der Firma Digisol von 2019 sei ärgerlich, sagt Fehr. Ob diese extra vernichtet wurden, sei noch unklar. Im Rahmen eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft müsse man einen Vorsatz prüfen.

Ob dabei Aufbewahrungsfristen verletzt wurden, sei Teil der Ermittlungen.

«Weiss nicht, ob ich es noch mal so machen würde»

«Man kann die Kommunikationsstrategie kritisieren. Ich weiss auch nicht, ob ich es noch mal so machen würde», sagt Fehr. Der Justizdirektion sei Transparenz sehr wichtig. Es gebe aber Gründe, wie polizeiliche Ermittlungen, Strafverfahren oder Persönlichkeitsrechte, welche zur Zurückhaltung beim Herstellen von Öffentlichkeit verpflichteten.

«Man fühlt sich wie im falschen Film»

«Aus heutiger Sicht ist, was in den Nullerjahren passiert ist, völlig unverständlich. Man fühlt sich wie im falschen Film», sagt Fehr. Seitdem sei man anders unterwegs. «Ein solcher Vorfall könnte sich heute nicht mehr ereignen.»

Wie die Justizdirektorin sagt, wird der Bericht der Untersuchung heute publik, weil ein Grossteil bereits den Medien zugespielt wurde. Eine frühere Veröffentlichung hätte zu einer «unnötigen Aufregung» führen können.

Aktueller Stand der Datensicherheit

Urs Kaderli, Leiter Digital Solutions der Justizdirektion, informiert über den aktuellen Stand der Datensicherheit. Dokumente seien heute verschlüsselt, dafür brauche man ein Zertifikat. Die Daten würden grösstenteils verschlüsselt abgelegt. Fehler in der Handhabung oder Datenmigration liessen sich aber nicht vollständig ausschliessen, so Kaderli. «Die grosse Unbekannte bleibt der Mensch.»

Die IT-Infrastruktur der Justizdirektion sei gut geschützt. Dem Kanton Zürich sei die Datensicherheit sehr wichtig.

Keine weiteren Sofortmassnahmen

Es gebe keine weiteren Sofortmassnahmen, um die Verstösse aufzuarbeiten, da im Rahmen des Strafverfahrens die nötigen Massnahmen ergriffen wurden, so Winkler.

Man habe festgestellt, dass es in den späten Nullerjahren keine flächendeckenden Regelungen gab.

Staatsanwaltschaft prüft strafrechtliches Fehlverhalten

Im Zusammenhang mit dem Datensicherheitsvorfall bei der Direktion der Justiz und des Innern führt die Zürcher Staatsanwaltschaft bereits seit November 2020 ein Strafverfahren. Im Rahmen dieses Strafverfahrens sind in den letzten Monaten Datenträger sichergestellt worden, auf welchen sich nach heutigem Kenntnisstand einige wenige Daten der Justizdirektion befunden haben. Wie es in einer Mitteilung am Dienstag heisst, haben neue Abklärungen die Staatsanwaltschaft veranlasst, den Teilaspekt der Datenentsorgung einer vertieften strafrechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Akten wurden vernichtet

Die Justizdirektion hat bei Maria Winkler von IT & Law Consulting GmbH die Administrativuntersuchung in Auftrag gegeben. Vor den Medien berichtet sie über deren Resultate. Insgesamt habe man Interviews mit zehn Personen geführt und etliche Dokumente gesichtet. Insgesamt habe man 13 Verbesserungsmassnahmen formuliert.

«Es war schwierig, an Informationen zu gelangen, welche Regelungen zwischen 2006 und 2012 gegolten haben», sagt Winkler. Hintergrund war, dass 2019 viele physische Akten vernichtet wurden. Dabei seien wahrscheinlich einige wichtige Dokumente vernichtet worden. Viele dieser Schreiben wurden nicht digitalisiert.

Untersuchung seit Dezember 2020

Der Regierungsrat sei daraufhin über den Vorfall informiert worden. Ab Dezember 2020 wurde die Untersuchung aufgenommen. Diese dauerte bis März 2021 an. Seitdem liege ein Abschlussbericht vor, der heute publiziert werde.

Kenntnis seit November 2020

Fehr stellt die Timeline vor: Im November 2020 sei sie von der Staatsanwaltschaft über den Verdacht der falschen Entsorgung informiert worden. Gleichentags habe sie eine mündliche Einschätzung dazu eingefordert, dass so etwas nie mehr passieren könne. Als das sichergestellt war, wurde der Auftrag erteilt, eine Administrativuntersuchung einzuleiten.

Staatsanwaltschaft wird heute auch informieren

Die Justizdirektion habe keinen Einblick in die Untersuchung der Staatsanwaltschaft und wisse somit nicht, gegen wen ermittelt werde. Die Staatsanwaltschaft werde heute selber über den Ermittlungsstand informieren. Zum Inhalt der Untersuchungen könne Fehr nichts sagen, da sie ihn nicht kenne und nicht kennen dürfe.

«Das hätte so nie passieren dürfen»

Justizdirektorin Jacqueline Fehr eröffnet die Pressekonferenz. «Es ist unter keinem Titel zu rechtfertigen, wie in den Nullerjahren Datenträger der JI entsorgt wurden. Es war unprofessionell, fahrlässig und allenfalls strafrechtlich relevant und hätte so nie passieren dürfen», sagt sie vor den Medien.

Die Pressekonferenz beginnt.

Montag, 05.12.2022

Wie äussert sich Jacqueline Fehr?

An einer Pressekonferenz am Dienstag um zehn Uhr wird sich die Justizdirektorin Jacqueline Fehr zum ersten Mal persönlich zum Datensicherheitsvorfall äussern. Zusammen mit Maria Winkler, IT & Law Consulting GmbH, und Urs Kaderli, Leiter Digital Solutions der Justizdirektion, wird sie Auskunft zum Datenleck, zur Administrativuntersuchung und zum heutigen Stand der Datensicherheit geben.

20 Minuten berichtet live von der Medienkonferenz.

Das hat die Justizdirektion bisher gesagt

In einer Medienmitteilung schrieb die Justizdirektion am Freitag, dass ihre Computer zwischen 2006 und 2012 durch einen ehemaligen Dienstleister nicht wie vereinbart vernichtet und die darauf gespeicherten Daten nicht gelöscht wurden. Kenntnis habe die Stelle vom Datensicherheitsvorfall seit November 2020. Bis anhin sei noch nicht abschliessend klar, welche Menge und Art von Daten in Umlauf gekommen seien.

Nachdem die Direktion vom Vorfall erfahren habe, habe sie eine Strafuntersuchung eingeleitet, die weiterhin andauere. Ebenfalls habe das Amt eine Administrativuntersuchung bei externen Anwältinnen und Anwälten beauftragt und die zuständigen Aufsichtsorgane informiert. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen seit Ende März 2021 vor.

Die Vorfälle datieren auf die Amtszeiten der Justizdirektoren Markus Notter (SP) und Martin Graf (Grüne). Jacqueline Fehr (SP) ist seit 2015 im Amt.

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