Gewalt gegen Spitalpersonal: Dauerts länger, ticken Notfall-Patienten aus

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Gewalt gegen SpitalpersonalDauerts länger, ticken Notfall-Patienten aus

Mitarbeiter in der Notaufnahme werden immer häufiger Opfer von Gewalt. Laut Betroffenen ist oft Ungeduld der Grund für die Aggressionen.

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lz
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Gewalt gegen Ärzte und Pflegefachpersonen in den Notfallzentren Schweizer Spitäler nimmt zu. Eine Studie im Berner Inselspitals zeigt, dass im letzten Jahr die Securitas fast doppelt so häufig wegen aggressiven Patienten eingreifen musste. Bild: Screenshot «10vor10»/Inselspital

Gewalt gegen Ärzte und Pflegefachpersonen in den Notfallzentren Schweizer Spitäler nimmt zu. Eine Studie im Berner Inselspitals zeigt, dass im letzten Jahr die Securitas fast doppelt so häufig wegen aggressiven Patienten eingreifen musste. Bild: Screenshot «10vor10»/Inselspital

Auch das Universitätsspital Zürich verzeichnete in den letzten Jahren mehr Fälle von Aggression, sagt Sprecherin Martina Pletscher.

Auch das Universitätsspital Zürich verzeichnete in den letzten Jahren mehr Fälle von Aggression, sagt Sprecherin Martina Pletscher.

Keystone/Walter Bieri
Zu den Gründen für aggressives Verhalten zählt laut Pletscher neben Alkohol- und Drogeneinfluss die  Erwartung, in der Notfallstation auch bei leichten Fällen rund um die Uhr sofort behandelt zu werden.

Zu den Gründen für aggressives Verhalten zählt laut Pletscher neben Alkohol- und Drogeneinfluss die Erwartung, in der Notfallstation auch bei leichten Fällen rund um die Uhr sofort behandelt zu werden.

Keystone/Steffen Schmidt

Gewalt gegen Ärzte und Pflegefachpersonen in den Notfallzentren Schweizer Spitäler nimmt zu. Eine Studie im Berner Inselspital zeigt, dass im letzten Jahr die Securitas fast doppelt so häufig wegen aggressiven Patienten eingreifen musste. Auch das Universitätsspital Zürich verzeichnete in den letzten Jahren mehr Fälle von Aggression, sagt Sprecherin Martina Pletscher.

Zu den Gründen für aggressives Verhalten zählt laut Pletscher neben Alkohol- und Drogeneinfluss die Erwartung, in der Notfallstation auch bei leichten Fällen rund um die Uhr sofort behandelt zu werden. Dies bestätigt Helena Zaugg, Präsidentin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachleute: «Die Hemmschwelle zur Gewalt ist gesunken und die Patienten üben sich nicht mehr alle in Geduld.»

Stress senkt Impulskontrolle

Gemäss Thomas Richter, Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention, führt unter anderem die Ungeduld in vielen Lebensbereichen vermehrt zu Gewalt: «Viele Menschen sind es sich aufgrund der Erziehung und im Alltag nicht mehr gewohnt, zu warten. Diese Fähigkeit entfernt sich immer mehr aus unserer Kultur.»

Eine angespannte Situation des Ausharrens, wie sie in der Notfallaufnahme im Spital vorherrscht, ist darum für viele Leute eine Überforderung. «Die meisten Menschen leben heutzutage ständig weit über ihrem Stresslimit.» Der Körper sei laufend im Alarmzustand, was die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung reduziere. «In herausfordernden Situationen brennt dadurch früher die Sicherung durch», sagt Richter.

Risiko gehört zum Beruf

Die Pflegenden seien sich der Stresssituation der Patienten in der Notfallaufnahme bewusst, so Zaugg. Es sei deshalb wichtig, dass die Spitäler regelmässig Kurse für deeskalierende Kommunikation für ihre Mitarbeiter anbieten. «So lernt man, den Kontakt mit den Patienten so anzugehen, dass die Situation nicht bedrohlich wirkt.»

Selbstverteidigungskurse, wie sie das Inselspital für seine Mitarbeiter organisiert, seien laut Zaugg zwar hilfreich, um das Selbstvertrauen des Pflegefachpersonals zu stärken, könnten aber auch dazu führen, dass sich dieses in falscher Sicherheit wiege. «Die Pflegenden können nicht alle Situationen allein in den Griff bekommen. Deshalb ist es uns ein Anliegen, dass die Spitäler mit ausreichend Sicherheitspersonal ausgestattet sind.» Ein gewisses Restrisiko gehöre aber schlichtweg zum Berufsprofil.

Angst vor Anzeigen

Laut der Studie werden im Berner Inselspital heute nur etwa 20 Prozent der Angriffe angezeigt. Laut Sprecherin Susanne Bandi ist die Hemmschwelle, sich entsprechend zu exponieren, für viele Mitarbeitende, insbesondere für Frauen, zu gross. Der Arbeitgeber könne die Verzeigung nicht an ihrer Stelle durchführen.

Gemäss Zaugg ist eine Anzeige für die betroffenen Pflegefachpersonen oftmals ein zu grosses Risiko. «Wir sind mit Name und Funktion angeschrieben. Der Täter weiss dann sofort, wer ihn angezeigt hat.» Oft würden die Angestellten während der Übergriffe auch massiv verbal bedroht. «Es ist aber auch so, dass manche Patienten sich am nächsten Morgen für ihre Tat schämen, wenn sie wieder bei klarem Verstand sind, und eine Entschuldigung aussprechen.» Dann zeigten die Pflegefachpersonen oftmals Verständnis.

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