Non-Profit-BonitätshüterDen Rating-Agenturen droht Konkurrenz
Mit einer neuen Rating-Agentur will die Bertelsmann-Stiftung den Platzhirschen Moody's, S&P und Fitch einheizen. Der neue Player wäre unabhängig. Experten sind fürs Modell wenig zuversichtlich.
- von
- Sandro Spaeth

Würde eine unabhängige Non-Profit-Ratingagentur alles verändern? Laut Kritikern tragen grossen Ratingagenturen auch eine Schuld für die Pleitepanik in der Eurokrise.
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugmann nannte die Rating-Agenturen «eine korrupte Bande von Idioten». Die Bonitätswächter stehen seit dem völligen Verschlafen der Finanzkrise am Pranger. Und in der Eurokrise mussten sich Standard & Poor's (S&P), Moody's die Kritik gefallen lassen, die Pleitepanik mit ihren Urteilen erst recht angeheizt zu haben. Politiker schrien nach Alternativen: Man wollte sich die Bemühungen um Stabilität in der Eurozone nicht kaputt machen lassen.
Ein Alternative zu den grossen Drei – sie decken zusammen 95 Prozent des Marktes ab – lancierte diese Woche die deutsche Bertelsmann Stiftung. Die Idee: Eine gemeinnützige Ratingagentur mit dem Namen Incra (International Non-Profit Credit Rating Agency). Die Stiftung will Incra aber nicht als europäische Rating-Agentur verstanden wissen. Regionale Lösungen könnten nicht die Antwort auf eine internationale Herausforderung sein, schreiben die Experten.
Überhöhte Bewertungen
«Es braucht eine unabhängige Ratingagentur», sagt Joachim Klement, Chief Investment Officer bei der Beratungsfirma Wellershoff & Partners. Das Problem: Derzeit werden die Bonitätswächter von den Wertpapierherausgebern bezahlt. «Das führt in der Tendenz zu überhöhten Bewertungen», folgert Klement. Dass die Bonitätswächter nicht die unabhängigen Schiedsrichter sind, als die sie sich gerne sehen, ist längst bekannt. Schon 1938 schrieb der Wissenschaftler Gilbert Harold in seiner Dissertation an der Columbia University, dass die Ratingagenturen ihre Auftraggeber zu positiv beurteilten.
Die neue Ratingagentur Incra dürfte hingegen nicht das eigene Wohlergehen im Kopf haben. Sie würde nicht durch Auftraggeber, sondern durch einen Fonds finanziert. Firmen aus aller Welt, Regierungen und Stiftungen würden einzahlen. Laut Bertelsmann-Stiftung wäre ein Fondsvolumen von 400 Millionen USD nötig, um die jährlichen operativen Kosten von 15 bis 24 Millionen tragen zu können. Einnahmen würde Incra lediglich über vertiefte Analysen auf Wunsch von Investoren generieren.
Die Frage nach dem Geld
Adrian Oberlin, CEO der Firma Firma Fedafin setzt auf von Investoren bezahlte Ratings. Das Unternehmen bewertet vor allem Schweizer Gemeinden und staatsnahe Betriebe wie Elektrizitätswerke oder Spitäler. «Ein weiterer grosser Player im Rating-Geschäft wäre aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll», so Oberlin. Seiner, auf die Schweiz ausgerichteten Rating-Agentur, käme Incra nicht ins Gehege. Oberlin begrüsst zwar die Incra-Pläne, bezweifelt aber, dass eine durch eine Stiftung finanzierte Ratingagentur vollkommen unabhängig wäre: «Vermutlich braucht es auch hier mal neues Geld.»
Einen konkreten Zeitplan für den Aufbau von Incra hat die Bertelsmann-Stiftung nicht definiert. Vorerst will man den Vorschlag – der laut eigenen Angaben «das Potenzial hat den Ratingsektor zu reformieren» –bei den mächtigen G20-Staaten einbringen. Fest steht, die Suche nach Geldgebern dürfte sich schwierig gestalten. Am Montag war bekannt geworden, dass es der international tätigen Unternehmensberatung Roland Berger Strategy bisher nicht gelungen ist, 300 Millionen Euro Startkapital für eine europäische Ratingagentur einzusammeln.
Ausstiegsplan steht
Vor diesem Hintergrund äussert Joachim Klement grösste Bedenken an der Durchsetzbarkeit des Plans der Bertelsmann-Stiftung. «Es ist illusorisch, für Incra 400 Millionen Euro zu finden.» Die Länder und Organisationen hätten derzeit wichtigere Aufgaben zu lösen. Ins selbe Horn stösst Ratging-Agentur-CEO Oberlin. «Der Wille im Markt für einen neuen Player ist bescheiden.» Es sei bequemer auf die grossen Drei zu zählen.
Auch das Scheitern der unabhängigen internationalen Rating-Agentur wird im Report der Bertelsmann-Stiftung angedeutet. Sollte der Markt Incra nämlich nicht akzeptieren, würde die Institution wieder geschlossen und die Investoren erhielten das einbezahlte Geld zurück.