Der Aufstand der Hungrigen
Strassenschlachten in Ägypten, brennende Barrikaden in Haiti: Teure Lebensmittel führen weltweit zu wütenden Protesten. Und die Preise steigen weiter.
In Haiti wurden Anfang April in der Stadt Cayes vier Menschen bei den Protesten gegen Armut und hohe Lebenshaltungskosten erschossen. Auf den Strassen wurden Barrikaden und Autos angezündet.
80 Prozent der Haitianer müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen.
Ebenfalls Anfang April warfen wütende Demonstranten in der nordägyptischen Industriestadt Mahalla el Kobra Ziegelsteine auf die Polizei, die mit Tränengas gegen die Protestierenden vorging.
Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Reis haben sich in Ägypten in den vergangenen Monaten fast verdoppelt, subventioniertes Brot ist knapp.
Fast 40 Prozent der Ägypter leben unter oder nahe der Armutsgrenze von umgerechnet 1,25 Euro pro Tag.
Schrumpfende Vorräte, steigende Preise
Solche Bilder von gewalttätigen Protesten gegen steigende Lebensmittelpreise könnten bald zu unserem Alltag gehören. Der Preisanstieg bei Lebensmitteln wird sich nach Einschätzung von Weltbank-Präsident Robert Zoellick auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Starke Nachfrage, veränderte Ernährungsgewohnheiten und der Einsatz von Biosprit hätten die weltweiten Vorräte schrumpfen lassen, sagte Zoellick am Montag vor Journalisten in Washington. Die Entwicklung sei mitverantwortlich für Hungersnöte und Unterernährung weltweit.
Experten zufolge drohe eine deutliche Zunahme der Armut, erklärte Zoellick. Einige Länder würden dadurch ihre in den vergangenen fünf bis zehn Jahren erzielten wirtschaftlichen Fortschritte einbüssen. In Indonesien beispielsweise könnte ein Anstieg der Reispreise um zehn Prozent zusätzliche zwei Millionen Menschen oder ein Prozent der Bevölkerung in Armut stürzen, warnte Zoellick.
«Neuer Ansatz»
«Wir brauchen einen neuen Ansatz in der internationalen Ernährungspolitik», forderte Zoellick.
Dieser dürfe sich nicht nur auf die Fragen von Hunger und Unterernährung konzentrieren, auf den Zugang zu Lebensmitteln und die Versorgung damit. Er müsse auch die Bezüge zu den Themen Energie, Ertrag, Klimawandel, Investitionen, die Marginalisierung von Frauen und anderen Gruppen sowie wirtschaftliche Flexibilität und Wachstum berücksichtigen.
Für den freien Handel
Zoellick kritisierte zugleich, dass internationale Einschränkungen beim Handel mit Lebensmitteln vor allem die Armen und die Landwirtschaft treffen.
Gerechtere Bedingungen und ein freierer Handel würden den Bauern in den Entwicklungsländern mehr Chancen und Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit geben. Deswegen müsse in den Welthandelsgesprächen noch in diesem Jahr ein Durchbruch gelingen und die Doha-Runde gerettet werden.
Auch Wasser wird knapp
Nestlé-Chef Peter Brabeck warnte in der «Samstagsrundschau» von Radio DRS vor der zunehmenden Verknappung des Rohstoffs Wasser. Bereits heute würden weltweit fossile Wasservorräte genutzt, da die erneuerbaren Vorräte nicht mehr ausreichten, sagte er.
Unökologische Bio-Treibstoffe
Wasser sei das wichtigste Rohmaterial für die Landwirtschaft, sagte Brabeck, der dabei erneut die Forcierung der Produktion von Bio-Treibstoffen kritisierte: Der Anbau solcher «Bio-Fuels» konkurriere mit dem Nahrungsmittelanbau um Land und um Wasser. Für die Herstellung von einem Liter Biodiesel benötige es 9100 Liter Wasser, sagte Brabeck.
dhr/AP/SDA
Proteste in Haiti
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(Video: AP)
Aufstände in Ägypten
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