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Mafia-Pate Totò RiinaDer «Boss der Bosse» ist tot

Er soll für mehr als 150 Auftragsmorde verantwortlich gewesen sein. Jetzt ist die «Raubkatze» tot.

roy
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Er war der Boss der Bosse: Totò Riina wird am 16. Januar 1996 in Bologna von Polizisten zum Gericht eskortiert.

Er war der Boss der Bosse: Totò Riina wird am 16. Januar 1996 in Bologna von Polizisten zum Gericht eskortiert.

Keystone/Gianni Schicchi
Riina hinter Gittern: Am 29. April 1993 an einer Gerichtsverhandlung in Rom.

Riina hinter Gittern: Am 29. April 1993 an einer Gerichtsverhandlung in Rom.

Keystone/Giulio Groglio
Eine undatierte Aufnahme einer Hausdurchsuchung bei Riina.

Eine undatierte Aufnahme einer Hausdurchsuchung bei Riina.

Keystone/Alessandro Fucarini

Salvatore «Totò» Riina, einst Chef der mächtigen sizilianischen Cosa Nostra, ist tot. Er starb am Freitagmorgen im Hochsicherheitsgefängnis von Parma. «Totò» Riina liess morden und kidnappen, mischte im Drogenhandel mit, war 24 Jahre auf der Flucht. Viele Mafia-Geheimnisse nimmt er nun mit ins Grab.

Wegen der mehr als 150 von ihm befehligten Morde war Riina zu 13-mal lebenslänglich verurteilt worden. Doch auch aus dem Gefängnis heraus leitete er die Mafia weiter und gab Morde in Auftrag - darunter den an einem 13-Jährigen, der entführt worden war, um seinen Vater vom Verraten von Mafia-Geheimnissen abzuhalten. Das Kind wurde erdrosselt und seine Leiche in Säure aufgelöst.

Der einst meistgefürchtete Mafia-Boss Italiens starb einen Tag nach seinem 87. Geburtstag, im Krankentrakt des Hochsicherheitsgefängnisses im norditalienischen Parma, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Er hatte an Nierenkrebs und Herzproblemen gelitten und soll obduziert werden.

Justizminister Andrea Orlando sprach Medienberichten zufolge am Donnerstag eine Erlaubnis für die Familie aus, den Schwerkranken zu besuchen und Abschied zu nehmen.

Keine öffentliche Beerdigung

Die italienische Bischofskonferenz schloss eine öffentliche Beerdigungsfeier in einer Kirche für den Massenmörder aus. Papst Franziskus hatte vor zwei Jahren alle Mafiosi für exkommuniziert erklärt.

«Totò» Riina war 1993 nach über zwanzigjähriger Flucht gefasst worden. Ein im Sommer eingereichter Antrag auf Freilassung aus Gesundheitsgründen hatte in Italien einen Aufschrei der Empörung ausgelöst und war abgelehnt worden.

Vor diesem Antrag war Riina abgehört worden; dabei hatte er gesagt, dass er nichts bereue. «Sie werden mich niemals brechen, selbst wenn sie mir 3000 Jahre geben», sagte er.

Bis zu seiner Festnahme am 15. Januar 1993 war Riina 24 Jahre lang einer der zehn meistgesuchten Kriminellen der Welt. Der 1930 geborene «Boss der Bosse», Sohn eines armen Bauern, wurde wegen seiner Grösse von nur gerade 1,58 Metern auch «Toto u curtu» (Toto der Kurze) genannt.

Don Corleone

«Totò» Riina war der Chef der Mafia-Familie der «Corleonesi», die ihren Sitz in Corleone rund 30 Kilomenter südlich von Palermo auf Sizilien hat. Seine kriminelle Karriere begann schon mit 19 Jahren, als er wegen Mordes verurteilt wurde, sein Aufstieg begann 1958 in der Umgebung seiner Heimatgemeinde. Der Mafioso Luciano Liggio ermordete damals den Arzt und Mafia-Chef von Corleone, Michele Navarra, und Riina war nach Ansicht der Ermittler dabei.

Der Bund Riinas mit Liggio sollte über Jahre Bestand haben. Riina übernahm dann von Liggio, als dieser festgenommen wurde. Für seinen Aufstieg zum «Boss der Bosse» nutzte Riina kaltblütig alle Mittel: Er schaffte es, dass sich andere Clans untereinander bekämpften. Er schleuste Parteigänger bei den anderen Mafia-Familien ein und erhielt dadurch jeweils nützliche Informationen. Wer nicht spurte, war ein toter Mann.

Anfang der 1980er-Jahre brach auf Sizilien der Mafia-Krieg aus. Riina glaubte nun, stark genug zu sein, alle Rivalen aus dem Feld zu räumen. Einige Jahre und rund tausend Tote später war er die Nummer eins der Cosa Nostra. Ende 1987 wurde er beim Mammut-Prozess gegen die Mafia in Abwesenheit zu lebenslänglich verurteilt.

Weder Mitleid noch Reue

Riina habe nie Mitleid mit seinen unschuldigen Opfern gezeigt, so die Vorsitzende der Anti-Mafia-Kommission im italienischen Parlament, Rosy Bindi. Unter seinem Kommando tötete die Cosa Nostra unter anderen 1992 die Top-Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sowie 1980 den damaligen sizilianischen Regionalpräsidenten Piersanti Mattarella, den Bruder des derzeitigen Staatspräsidenten Sergio Mattarella.

Riina war als «Boss der Bosse» ein Mafioso, wie ihn sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken können. Trotz Einzelhaft und Hochsicherheitstrakt schaffte er es, noch aus dem Gefängnis heraus Drohungen auszusprechen.

Bis zuletzt Kopf der Cosa Nostra

Anti-Mafia-Staatsanwälte sahen konkrete Anhaltspunkte, dass Riina im hohen Alter und als Gefangener immer noch Kopf der Cosa Nostra war. «Totò Riina hat Sizilien nie verlassen», schrieb die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera» am Freitag.

Bei Vernehmungen und Festnahmen hatte Riina die Ermittler an der Nase herumgeführt. «Was ist die Cosa Nostra? Ich habe diesen Namen in der Zeitung gelesen», verhöhnte er als 62-Jähriger einen Befrager. Riina gab den ahnungslosen Alten, den armen Bauern.

Sein Fahndungsfoto aus jungen Jahren hing in jeder Polizeiwache von Como bis Catania aus. Jahrzehntelang war das Bild des Mannes - dunkle Augen, volles Haar, dünner Schnurrbart, Anzug und Krawatte - der einzige sichtbare Hinweis auf den meistgesuchten Mann Italiens. (roy/afp)

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