Kneubühls HungerstreikDer Countdown bis zur Zwangsernährung tickt
In spätestens zwei Wochen soll der verurteilte Peter Hans Kneubühl zwangsernährt werden. Bis dahin wollen ihn die Therapeuten zur Vernunft bringen.
- von
- stm
Werner Strik und Thomas Freytag informieren über den Hungerstreik von Peter Hans Kneubühl.
Dem Bieler Rentner Peter Hans Kneubühl geht es trotz mehreren Wochen Hungerstreik den Umständen entsprechend gut, er hat aber über zehn Kilogramm abgenommen. Dies teilte das Amt für Justizvollzug am Dienstag an einer Pressekonferenz mit.
Er befindet sich seit rund einer Woche auf der Station Etoine der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD), die für Patienten in Haft ausgerüstet ist. Er wurde wegen Herzproblemen eingeliefert, wie 20 Minuten berichtete.
In ein bis zwei Wochen dürfte die Situation für den 74-Jährigen aber kritisch werden. Man versuche ihn nun mit gutem Zureden zum Einlenken zu bewegen. Mit dem Hungerstreik will der Bieler Rentner seine Rückverlegung von der Strafanstalt Thorberg ins Regionalgefängnis Thun erwirken.
Die wahren Ziele Kneubühls sind andere
«Vordergründig ist sein Ziel, dass er nach Thun verlegt wird. Wir haben aber in Gesprächen mit ihm versucht herauszufinden, worum es ihm wirklich geht. Dies ist nicht Thun oder Thorberg, es geht hier um Geschichten, welche ihren Ursprung vor Jahren oder gar Jahrzehnten haben. Es geht seiner Ansicht nach um falsche Anschuldigungen, Demütigung und Unrecht, welche er empfunden hat und gegen die er ankämpft», erklärt Werner Strik, Direktor der UPD.
«Wir sind uns mit Herrn Kneubühl einig, dass es ihm um eine moralische Genugtuung beziehungsweise Rehabilitation gegenüber den Anschuldigungen geht», so Strik. «Uneinig sind wir uns aber über den Weg, wie dies erreicht werden kann. Mit dem Hungerstreik wird er nicht viel weiter kommen, höchstens nach Thun.» Genugtuung werde er so aber keine erreichen.
Man stehe mit Kneubühl im respektvollen Dialog. Laut Strik wolle Kneubühl nicht sterben. Allerdings gibt er zu bedenken: «Herr Kneubühl ist ein Mensch von starkem Willen und festen Überzeugungen. Wenn er sich etwas vorgenommen hat, ist er durchaus bereit, es so weit zu bringen, dass sein Leben bedroht ist.»
Rechtlich eine verzwickte Sache
Rechtlich gesehen wird im Kanton Bern der Hungerstreik von Häftlingen respektiert, solange sie urteilsfähig sind. Liegt eine Patientenverfügung vor, die lebensverlängernde Massnahmen ablehnt, wird diese in der Regel befolgt. Eine solche hat Kneubühl jedoch nicht erlassen. Das bedeutet, dass der Kanton Bern ihn im Notfall per Magensonde ernähren würde.
Im Fall von Kneubühl ist die Sache jedoch noch verzwickter, weil der Mann von der Justiz als nicht schuldfähig taxiert wurde. Der Rentner ist gebildet und intelligent und über weite Strecken urteilsfähig, leidet jedoch an wahnhaften Störungen.
Grundsätzlich wären die Bedingungen für eine Zwangsernährung gegeben, so Strik zur Nachrichtenagentur SDA: Er wolle gar nicht sterben und sei nicht urteilsfähig bezüglich der Wirkung seines Hungerstreiks. Laut Thomas Freytag, Vorsteher des Amtes für Justizvollzug, unterliegt es dem Urteilsvermögen der Ärzte, wann eine Zwangsernährung in Angriff genommen wird. «Wenn wir noch ein, zwei Wochen Zeit gewinnen könnten», sagt Strik, hoffe er, den 73-Jährigen freiwillig zur Aufgabe des Hungerstreiks bewegen zu können.
Endlich Therapie-Erfolge dank Hungerstreik?
Den Hungerstreik sieht Strik sogar als Chance, endlich zu Kneubühl durchzudringen, was bisher noch keiner Fachperson gelang. «Unser höchstes therapeutisches Ziel ist es, gemeinsam mit ihm die Sache durchzudenken und zum jetzigen Weg Alternativen zu finden, zu denen er stehen kann.»
Dafür bräuchten Rentner und Psychiater genügend Ruhe für die Therapie. Deshalb wurde ein Kontaktverbot erlassen. Ein alter Bekannter, der Kneubühl gelegentlich besucht habe, könnte aber bald wieder zu einem Besuch zugelassen werden.
Der Rentner bekommt laut Strik einen Stimmungsstabilisator, aber keine starken Medikamente, die seine Denk- und Willensfähigkeit einschränken würden. Kneubühl ist laut dem Klinikdirektor so klar, dass Therapeutika die Erfolge zerstören könnten. (stm/sda)
Rückblende
Peter Hans Kneubühl aus Biel schoss 2010 bei der angekündigten Räumung und Zwangsversteigerung seines Elternhauses einem Polizisten in den Kopf und beschäftigte die Spezialeinheiten anschliessend neun Tage lang mit seiner Flucht. Vor Gericht wurde er für schuldunfähig erklärt, da er an einer wahnhaften Störung leidet und sich vom Staat verfolgt sah. Er wähnte sich in einem Krieg mit der Polizei.
Bis heute kämpft Kneubühl gegen diese Diagnose. Er ging bis vor Bundesgericht, blitzte jedoch ab. Dennoch will er, dass sein Fall neu aufgerollt werde. Dies hielt er zu Beginn seines aktuellen Hungerstreiks in einem Schreiben an jenen Freund fest, der ihn regelmässig in der Strafanstalt besucht.