Der Jangtse lebt noch

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Der Jangtse lebt noch

Die Wasserqualität des Jangtse ist besser als ihr Ruf. Das fand ein schweizerisch-chinesisches Forscherteam heraus. Dennoch muss dringend gehandelt werden.

Keine direkte Verbindung konnten die Forscher zwischen der Wasserqualität und dem Aussterben des Süsswasserdelfins feststellen.

Wenn die chinesische Regierung ihre Anstrengungen beim Gewässerschutz sofort verstärkt, kann das Ökosystem des Jangtse gerettet werden. Zu diesem Schluss kommen Forscher des eidgenössischen Wasserforschungsinstituts (Eawag) und des Hydrobiologischen Instituts Wuhan. Die Wasserexperten haben am Freitag bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Bern die definitiven Ergebnisse der «Yangtze Freshwater Dolphin Expedition» vorgestellt.

Die Verschmutzung des Jangtse sei zwar enorm, hielten die Forscher fest. Die Schadstoffkonzentration sei jedoch wegen der riesigen Wassermengen ähnlich wie in anderen Flüssen, da sich ein Verdünnungseffekt einstelle. Eine der grössten Verschmutzungsquellen ist die Landwirtschaft, die grosse Mengen von Mineraldüngern einsetzt. Dadurch hat sich der Stickstoffgehalt des Jangtse in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Die Schwermetallkonzentration ist aber nach wie vor zwei bis acht Mal niedriger als die Werte, die vor dreissig Jahren im Rhein gemessen wurden, als der Fluss auf dem Höhepunkt der Verschmutzung war.

Dies bedeute aber nicht, dass Entwarnung gegeben werden könne. Die Schwermetallkonzentration sei nur wegen der enormen Wassermassen des Jangtse relativ niedrig: Im Delta im Ostchinesischen Meer sind die Schadstoffkonzentrationen dagegen alarmierend hoch. 1.500 Tonnen Stickstoff und bis zu 4,6 Tonnen Arsen würden jeden Tag vom Wasser zur Küste geschwemmt. Die Schwermetalle gelangen zudem ins Trinkwasser von mehreren hundert Millionen Menschen, sowie auf Reis- und Maisfelder, zu deren Bewässerung Flusswasser gebraucht wird. Die Schadstoffe befinden sich zudem in zwei Drittel des Fisches, der in China konsumiert wird, wie es weiter heisst.

Keinen direkten Zusammenhang konnten die Forscher zwischen dem Aussterben des Süsswasserdelfins Baiji sowie dem Rückgang der Population der Schweinswale und der Wasserqualität im Jangtse feststellen. Dem als Gottheit verehrten Baiji sind gemäss Analyse mehrere Faktoren zum Verhängnis geworden: Die Verschmutzung ist nur ein Grund, weshalb der Lebensraum der Flussdelfine immer mehr eingeschränkt wurde. Auch Industrie, Landwirtschaft, Schifffahrt, Lärmbelastung und Fischereimethoden führten zum Aussterben des weissen Delfins.

Die Forscher appellieren an die chinesische Regierung, ihre Anstrengungen im Bereich des Gewässerschutzes zu verstärken. Eine Sanierung, wie sie in jüngerer Vergangenheit bei den europäischen Flüssen eingeleitet wurde, sei unumgänglich, damit Arten wie der Schweinswal oder der Chinesische Stör gerettet werden könnten.

Der Jangtse ist mit einer Länge von 6.300 Kilometern der drittgrösste Fluss der Welt. An seinen Ufern leben 400 Millionen Menschen, was rund einem Sechzehntel der Weltbevölkerung entspricht. Der Jangtse versorgt 70 Prozent der chinesischen Reisanbaugebiete mit Wasser, gleichzeitig wird er als Entsorgungsstelle für 25 Milliarden Tonnen Abfälle pro Jahr missbraucht.

Die «Yangtze Freshwater Dolphin Expedition» stand unter der Leitung der Stiftung Baiji.org und unter der Schirmherrschaft des chinesischen Landwirtschaftsministeriums. Unterstützt wurde die Expedition von der Societe Generale de Surveillance (SGS), der Bank Pictet und der DEZA. Die Forscher nahmen zwischen dem Drei-Schluchten-Damm und Schanghai auf einer Länge von 1.750 Kilometern hunderte von Wasser- und Sedimentproben. (dapd)

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