Unzählige Überstunden«Der Körper macht irgendwann nicht mehr mit» – Bahnpersonal läuft Sturm
Hunderte Überstunden, kaum frei und keine Aussicht auf Besserung – das Bahnpersonal ist am Anschlag und fühlt sich im Stich gelassen. Die SBB widerspricht.
Darum gehts
Das Bahnpersonal ist extrem ausgelastet.
Die Gewerkschaft des Lokpersonals beklagt zahlreiche Punkte – streiken könnten sie jedoch nicht.
Die Bahnbetriebe besänftigen und sagen, es sei genug Personal vorhanden – die Situation werde sich bald bessern.
Das ist passiert
Beim Bahnpersonal brodelt es. Schlechte Personalplanung, unzählige Überstunden und extremer Druck, um den Fahrplan einhalten zu können, belasten die Teams. Das Bahnpersonal fordert die SBB und weitere Arbeitgeber zum Handeln auf. Ein anonymer Leser schickte diese Woche der 20-Minuten-Redaktion ein Video zu, in dem sich der Ostschweizer Bahnbetrieb Thurbo zur angespannten Personalsituation äussern musste.
So mies geht es dem Personal
Auch Hanny Weissmüller, Zentralpräsidentin der Gewerkschaft des Lokpersonals warnt: «Das Personal ist am Anschlag, viele Mitarbeitende haben Hunderte Überstunden angehäuft – ich selbst habe über 300. Diese können wir nicht abbauen, deshalb verpassen wir etwa Taufen oder Hochzeiten.» Tagtäglich erhalte Weissmüller Anfragen, ob sie einspringen könne.
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In einer normalen Rotation arbeite man sechs Tage und habe danach zwei Tage frei – springe man einen Tag ein, arbeite man sieben Tage am Stück. Die SBB übe Druck aus: Kommt der Mitarbeitende nicht, fallen die Züge aus. «Wir sind in einem Sicherheitsberuf – der Körper macht nicht mit, wenn man in der Frühschicht arbeitet und sieben Tage lang um 0.30 Uhr aufstehen muss», kritisiert Weissmüller. Auch das Familienleben leide enorm.
Das Personal wehrt sich, einen Streik lässt der Gesamtarbeitsvertrag aber nicht zu. «Wir haben kürzlich an einer Delegiertenversammlung mit einem Transparent und nun in einem Video an die SBB auf die Thematik aufmerksam gemacht. Wir versuchen alles.»
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Hubert Giger, Präsident des Lokführerverbands VSLF sagt: «Wir fordern seit Jahren, dass die Bahnbetriebe untereinander das Lokpersonal austauschen können, wenn es zu kurzfristigem Personalmangel kommt. Doch das wird nicht umgesetzt.»
Das sagt Thurbo
Thurbo bestätigt das Video – dieses sei Mitte September im Intranet veröffentlicht worden. Vor allem in den Monaten April, Mai, Juli und August sei das Personal aufgrund vieler Absenzen am Anschlag gewesen. Deshalb sei es zu vereinzelten Zugausfällen gekommen. Die Situation habe sich nun wieder entspannt.
Das sagt die SBB
Der Mangel an Lokführerinnen und Lokführern der vergangenen Jahre habe zu einer zusätzlichen Belastung geführt. Die SBB bedanke sich beim Personal für den Einsatz. Die Rekrutierungsoffensive habe mittlerweile Früchte getragen – die Personalbestände hätten stabilisiert werden können. In den nächsten Monaten würden weitere Lokführende ihre Ausbildung abschliessen. Dann könnten Überstunden abgebaut werden.
Es gebe saisonale und regionale Unterschiede, die sich negativ auf die Tourendeckung auswirken könnten. So habe die SBB in den Monaten April bis Oktober einen höheren Bedarf an Lokführern. Auch habe sie etwa aufgrund der überdurchschnittlich hohen Absenzen in Genf die Situation, dass Lokführende aus Lausanne in Genf aushelfen. Der Vorschlag, das Personal untereinander auszutauschen, mache nur begrenzt Sinn, da andere Bahnunternehmen teils unterschiedliches Rollmaterial einsetzten und auf unterschiedlichen Strecken unterwegs seien.
Drohen mehr Zugausfälle?
Die SBB verneint das. Gänzlich gelöst scheint das Personalproblem aber nicht. Erst diese Woche fiel ein Zug aufgrund fehlenden Personals aus.
Ob der Betrieb aufrechterhalten werden kann, wird davon abhängen, wie lange das Personal unter diesen Umständen weiterarbeiten kann, ob weitere grossflächige Ausfälle drohen und wie schnell mehr Personal ausgebildet und eingestellt werden kann.
300 Überstunden – ist das legal?
Überstunden seien zu leisten, wenn sie betrieblich notwendig seien, die Arbeitnehmenden sie zu leisten vermöchten und das nach Treu und Glauben zugemutet werden könne, erklärt Rechtsanwalt Nicolas Facincani. Daher muss dies im Einzelfall beurteilt werden. Überstunden müssen üblicherweise innerhalb 14 Wochen abgebaut werden, sofern vertraglich nicht anders geregelt. Ob die Frist für den Abbau von Überstunden unbestimmt lang vereinbart werden kann, ist laut Facincani nicht bundesgerichtlich geklärt.
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