Frank M. AhearnDer Mann, der Reiche verschwinden lässt
Frank M. Ahearn ist eine Legende. Sein Beruf: Spuren verwischen und sogar die NSA täuschen. Seine Kunden: Reiche, die untertauchen wollen – darunter auch Schweizer.
- von
- L. Hanselmann

20 Jahre spürte Frank M. Ahearn Menschen auf. Jetzt hilft er ihnen, zu verschwinden.
Sie wollen nicht gefunden werden? Vergessen Sies. Frank M. Ahearn spürt jeden auf. Der US-Amerikaner war der erste, der Monica Lewinsky ausfindig machte, nachdem ihr Verhältnis mit Bill Clinton bekannt geworden war. Sein Trick: Er gab sich als Lieferant aus, der der Praktikantin aus dem Weissen Haus ein Paket bringen wollte.
Mehrere tausend Personen spürte der 49-Jährige in fast zwanzig Jahren auf – von Michael Jackson und Paris Hilton bis hin zu Betrügern, Verbrechern und Politikern. Er arbeite als sogenannter «Skip Tracer» für das FBI, Banken, Versicherungen oder für die Boulevardpresse. Im Internet wird er wegen seiner Erfolge als Legende gefeiert.
Neue Identität für ein paar Tausend Dollar
Vor wenigen Jahren wechselte Ahearn die Seiten. Seither sucht er nicht mehr Menschen, sondern hilft ihnen zu verschwinden. Zu seinen Klienten gehören auch Schweizer – und zwar viele, wie Ahearn sagt. Der 1. Schritt: Er nimmt ihnen Bank- und Kreditkarten sowie Handy weg. Der 2. Schritt: Er streut Falschinformationen über sie.
Für 200 Dollar kriegt man ihn ans Telefon. Ab mehreren Tausend Dollar kreiert er für jeden im Internet eine neue Identität. Im April erscheint sein neues Buch «How to disappear from Big Brother». Dank diesem soll jeder lernen können, seine Spuren selbst zu verwischen.
Herr Ahearn, weshalb will jemand untertauchen?
Manche wollen von einem Stalker oder gewalttätigen Ex-Ehepartnern nicht gefunden werden, andere von der Regierung. Wieder andere sind an viel Geld gekommen und haben sich Feinde geschaffen. Allen ist gemeinsam: Sie wollen ihr altes Leben hinter sich lassen und nicht gefunden werden.
Ihre Dienste sind nicht billig. Wer leistet sich das?
Sogenannte High-net-worth-Personen (Leute mit Investitionsvermögen von über 1 Million Dollar). Sie haben begriffen, dass Informationen für sie gefährlich oder kompromittierend sein können. Ein Beispiel: Vor zehn Jahren kaufte ein CEO mit seinem Millionen-Bonus eine extrem teure Villa. Das stand in einer Fachzeitschrift und er teilte es über Linkedin mit. Heute hat er Kinder und fürchtet, dass diese Opfer von Entführern werden könnten. Er will deshalb nicht mehr, das man diese Information findet.
Können Sie die Infos einfach löschen?
Das geht leider nicht. Was ich mache, ist digitale Manipulation. Bleiben wir beim Beispiel des CEOs. Ich verbreite dann die Falschinformation, dass er sein Haus verkauft hat und mit seiner Familie in ein kleines Dorf in Deutschland gezogen ist. Für seine Töchter streue ich grosse Mengen an sozialen Desinformationen – dass sie in anderen Städten leben und in andere Schulen gehen. So finden Entführer die Kinder nicht mehr.
Woher kommen Ihre Kunden?
Aus der ganzen Welt, auch aus der Schweiz, vor allem aus dem Grossraum Zürich. Darunter sind auch viele Firmen.
Weshalb braucht eine Firma Ihre Dienste?
Ein Kunde von mir schickte drei Mitarbeiter zu einem Seminar in Toronto. Einem wurde im Hotel sein Laptop gestohlen. Das Unternehmen glaubte, dass Profidiebe ihn gezielt ausgeraubt hatten, und ich sollte herausfinden, wie sie auf ihn kamen. Es war simpel: Über die Firmenwebsite und Linkedin war ersichtlich, dass der Mann Zugang zu speziellen Geschäftsgeheimnissen hatte. Zweifellos hatten die Diebe das auf die gleiche Art und Weise mitbekommen. Die Firma wusste nun, wo sie ihre Sicherheitsmassnahmen verbessern musste.
Was kann ich selbst tun, wenn ich verschwinden will?
Sie müssen sich von Ihren digitalen Verbindungen lösen. Zum Beispiel sollten Sie nur noch mit einem Prepaid-Handy telefonieren. Oder Sie legen sich einen Assistenten in einem anderen Land zu, der für Sie E-Mails checkt und verschickt oder für Sie googelt, damit Ihre IP-Adresse nirgends auftaucht. Und das ist nur der Anfang: Sie könnten eine Online-Firma gründen, die am anderen Ende der Welt eingetragen ist, oder Ihre Wohnung über eine anonyme Kapitalgesellschaft mieten.
Der NSA-Skandal hat uns gezeigt, dass wir immer überwacht werden. Kann ich gegen Geheimdienste oder Multis wie Google oder Facebook überhaupt etwas tun?
Ja, Sie können. Geben Sie Facebook beispielsweise keine korrekten Informationen preis. Wenn Sie in Zürich leben, schreiben sie, dass Sie in Basel wohnen. Wenn Sie in die Kantonsschule Trogen gehen, nennen Sie eine andere Schule. Geben Sie Ihrer Frau und Ihren Kindern falsche Namen.
Müssen wir nicht einfach akzeptieren, dass Big Brother überall ist?
Das ist er. Zuhause wird via Telefon, TV und Internet aufgezeichnet, was wir wann tun und mit wem wir Kontakt haben. Wenn wir unser Haus verlassen, werden wir über Kameras auf der Strasse, im öffentlichen Verkehr oder im Büro überwacht. Doch wird können etwas dagegen tun. Warum sollen wir es den Überwachern auch so einfach machen?