GerichtsurteilDer Mann hat besser verhandelt? Die Frau soll trotzdem gleich viel verdienen
Ein Entscheid des deutschen Bundesarbeitsgerichts zu Equal Pay dürfte weitreichende Auswirkungen haben. Auch in der Schweiz gilt das Gleichstellungsgesetz vor Vertragsfreiheit.
- von
- Fabian Pöschl
Darum gehts
Eine Frau klagte gegen ihren Ex-Arbeitgeber.
Die Firma zahlte ihrem Kollegen mit gleicher Qualifikation für dieselbe Arbeit mehr Lohn.
Der Mann habe beim Lohn besser verhandelt.
Das deutsche Bundesarbeitsgericht sprach der Frau Lohnnachzahlungen zu.
Frauen steht das gleiche Gehalt wie Männern zu, sie dürfen bei gleicher Leistung und gleicher Qualifikation lohnmässig nicht diskriminiert werden. Das ist gesetzlich und in der Verfassung so vorgeschrieben, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland.
Nun hat das deutsche Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil für Equal Pay gefällt, wie deutsche Medien berichten. Eine Frau klagte gegen ihren Ex-Arbeitgeber, der einem Kollegen mit gleicher Qualifikation für dieselbe Arbeit 1000 Euro mehr bezahlte.
Die Firma begründete dies mit der besseren Lohnverhandlung des Mannes und bezog sich auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Doch das liess das Bundesarbeitsgericht nicht durchgehen und kippte die Entscheidungen zweier untergeordneter Gerichte, die dem Arbeitgeber recht gaben. Die unterschiedliche Bezahlung begründe die Vermutung der Diskriminierung wegen des Geschlechts, urteilte die Richterin.
«Männer und Frauen sind endlich gleichberechtigt»
Das Gericht sprach Klägerin Susanne Dumas 14’000 Euro entgangenen Lohn und 2000 Euro Entschädigung zu. «Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt», sagte Dumas in einem Statement.
Die Auswirkungen sind weitreichend. Denn wenn nun ein Arbeitnehmer mehr Lohn fordert, muss die Bezahlung von Arbeitnehmerinnen mit gleicher Qualifikation im selben Masse steigen. Ist das nicht der Fall, können sie ebenfalls vor Gericht ziehen und sich an diesem Urteil orientieren.
Verhandeln rechtfertigt auch in der Schweiz keine Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau
In der Schweiz ist die Rechtslage vergleichbar, sagt Roger Rudolph, Experte für Arbeitsrecht und Professor an der Uni Zürich, zu 20 Minuten. «Mindestens auf längere Frist kann eine ungleiche Entlohnung von Frau und Mann nicht mit dem besseren Verhandeln eines Arbeitnehmers gerechtfertigt werden», so Rudolph. Nach einer begrenzten Zeit von etwa einem Jahr müsse die Lohndifferenz eingeebnet werden.
«Es überrascht mich, dass es so lange dauerte»

Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht an der Uni Basel
Gab es in der Schweiz auch schon so einen Fall?
Kurt Pärli: «Es gibt zahlreiche Urteile zur Lohngleichheit, aber zur Rechtfertigung der Lohnungleichheit mit dem Argument der Vertragsfreiheit sind mir keine bekannt. Es überrascht mich, dass es in Deutschland so lange dauerte, bis dieser Grundsatz des Vorrangs der Lohngleichheit vor der Vertragsfreiheit auch vom Gericht anerkannt wurde. Denn genau dafür wurden Gleichstellungsgesetze gemacht.»
Müsste ich in einem solchen Fall ebenfalls klagen?
«Ja, der Anspruch für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit steht in der Bundesverfassung und ist im Gleichstellungsgesetz verankert. Mit dem Argument der Vertragsfreiheit hätte der Arbeitgeber kaum eine Chance, den Prozess zu gewinnen.»
Können auch Männer klagen, wenn sie weniger Lohn bekommen als Frauen bei gleichen Voraussetzungen?
«Ja, das Gleichstellungsgesetz schützt Frauen genauso wie Männer vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung bei der Arbeit und auch beim Lohn.»
Wie kann ich nachweisen, dass die Voraussetzungen gleich sind?
«Das ist tatsächlich schwierig. Aber wenn beispielsweise nach einem Stellenwechsel der neue Angestellte mehr Lohn bekommt als seine Vorgängerin, ist die Situation vergleichbar. Dann könnte sie verlangen, dass ihr Lohn längstens bis zu fünf Jahren rückwirkend korrigiert wird.»
Wie verhalte ich mich bei der Lohnverhandlung richtig?
«Man sollte sich vorher über den Lohn erkundigen. In der EU gibt es bereits ein Gesetz zur Lohntransparenz und auch in der Schweiz findet die Diskussion darüber statt. Firmen mit mehr als 100 Angestellten führen bereits heute regelmässig Lohngleichheitsanalysen durch und veröffentlichen die Ergebnisse.»
Auch für Arbeitsrechtsspezialist und Rechtsanwalt Dr. Denis G. Humbert von der Arbeitsrechtskanzlei Humbert Heinzen Lerch ist die Lohnverhandlung keine Begründung für den höheren Lohn bei gleicher Voraussetzung. «Untersuchungen zeigen, dass Männer sich oft besser verkaufen können, aber ein höherer Lohn wäre bei gleicher Leistung und gleicher Qualifikation trotzdem klar diskriminierend», so Humbert.
Dann könnte man auch in der Schweiz eine Klage wegen Lohndiskriminierung erheben, sagt Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, zu 20 Minuten.
Kennst du den Lohn deiner Arbeitskolleginnen und -kollegen?
«Nicht in jedem Betrieb gibt es aber für jede Frau einen Mann mit identischen lohnrelevanten Merkmalen zur Bestimmung des Vergleichslohns. Sei es, dass sie nicht gleich alt sind, nicht über die gleiche Anzahl von Dienstjahren verfügen oder sich bei den Arbeitspensen und den Funktionen unterscheiden», so Lützelschwab.
Grundsätzlich sei es wichtig, dass man sich gut auf Bewerbungsgespräche vorbereite und auf die eigenen Stärken hinweise.
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