Frontex-Chef warnt«Der Migrationsdruck bleibt immens»
Frontex-Chef Fabrice Leggeri fordert einen besseren Grenzschutz und eine legale Möglichkeit der Einreise in die EU. Die Flüchtlinge würden nämlich nicht weniger.
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Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, sagt, die EU habe vieles aus der Flüchtlingskrise gelernt. «Was im vergangenen Jahr passierte, haben viele zu lange für unvorstellbar gehalten.»
So sei es beispielsweise wichtig zu wissen, wer nach Europa einreise. «Es geht darum, wer einen Anspruch auf Asyl hat. Oder schlichtweg darum, ob Kriminelle oder sogar mutmassliche Terroristen einreisen», so Leggeri zur «Welt».
Vieles erreicht, manches noch zu tun
Weiter sagte der Chef von Frontex, dass eines klar sei: «Der Migrationsdruck bleibt immens. In Syrien herrscht weiter Krieg, die Terrormiliz Islamischer Staat setzt sich nun auch in Nordafrika fest, und noch immer hat die Armut weite Teile der Welt fest im Griff.»
Im ARD-Sommerinterview äusserte sich am Sonntag auch Angela Merkel zum Thema Flüchtlinge. Sie verteidigte ihren umstrittenen Satz «Wir schaffen das». «Ich habe diese Worte in Anbetracht einer erkennbaren grossen Aufgabe gesagt und gehe mit der Motivation heran, wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, da müssen wir das überwinden.» Es sei schon vieles erreicht worden, manches bleibe noch zu tun, so die Kanzlerin.
Europäische Länder, die keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen wollen, kritisierte sie. Die Flüchtlinge müssten auf dem ganzen Kontinent verteilt werden. Es sei eine Option, dass jene Länder, die nur wenige Flüchtlinge aufnehmen wollen, diejenigen bezahlen, die viele aufnehmen.
Frontex plant Stresstests an EU-Aussengrenze
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex will im Herbst die europäischen Grenzen einem Stresstest unterziehen. «Wir wollen schauen, wie Mitgliedsstaaten darauf vorbereitet sind, mit einem Krisenfall an der EU-Aussengrenze umzugehen», sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri der «Welt am Sonntag». Die Schwachstellenanalyse soll demnach im Oktober an den Grenzen einiger EU-Mitgliedsstaaten vorgenommen werden.
Vorbild für die Überprüfung der Grenzen sind dem Bericht zufolge jene Banken-Stresstests, die die Europäische Zentralbank (EZB) seit der Finanzkrise vornimmt. Bei der Analyse könnten verschiedene Szenarien an den See-, Land- und Luftgrenzen durchgespielt werden. Die konkreten Szenarien würden noch bestimmt. Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums bestätigte der Zeitung die geplante Analyse.
1500 Beamte bereitstellen
Letztere ist laut «Welt am Sonntag» Teil einer neuen Frontex-Verordnung, die in wenigen Wochen in Kraft treten soll. Sie sehe zudem vor, dass die EU-Staaten künftig 1500 Beamte bereitstellen müssen, die innerhalb weniger Tage durch Frontex eingesetzt werden können.
Frontex ist für den Schutz der EU-Aussengrenzen zuständig und unterstützt die EU-Staaten bei dieser Aufgabe. Zu diesem Zweck dirigiert die Agentur mit Sitz in Warschau nationale Einsatzkräfte bei der Überwachung der Aussengrenzen, etwa um die illegale Einwanderung über die Mittelmeerländer Italien, Malta, Spanien und Griechenland zu verhindern.
Bei Grenzschutz-Missionen ist Frontex auf die EU-Staaten angewiesen, die Grenzschützer sowie Material wie Helikopter und Schiffe bereitstellen.
Druck auf Aussengrenze reduzieren
Frontex-Chef Leggeri setzt sich neben einem besseren Grenzschutz dafür ein, mehr legale Wege nach Europa zu schaffen, um damit den Druck auf die Aussengrenze zu reduzieren.
Aktuell kommen die meisten Flüchtlinge über den Seeweg nach Europa. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf Anfrage der Zeitung mitteilte, wurden in diesem Jahr in Griechenland bislang rund 162'000 und in Italien 105'000 Flüchtlinge gezählt.
Die Zahl der Flüchtlinge in der Ägäis ist nach der Schliessung der Balkanroute und dem Start des EU-Türkei-Abkommens allerdings deutlich zurückgegangen. Die IOM beobachtet dabei verstärkt, dass Flüchtlinge aus Ägypten kommen. Die Zahl im ersten Halbjahr 2016 verdoppelte sich bereits im Vergleich zur Gesamtzahl 2015. (vbi/sda)