Geiseldrama AlgerienDer neue Bin Laden und sein Kommandant
Wird Mokhtar Belmokhtar, Mastermind der Geiselnahme in der algerischen Wüste, der neue Osama Bin Laden? Dafür sprechen nicht nur starke Parallelen in den Biografien der beiden.
- von
- gux
Das Geiseldrama auf der internationalen Gasanlage In Amenas endete blutig: Das algerische Innenministerium geht von bislang 80 Toten aus. 792 Geiseln, darunter 107 Ausländer, wurden befreit oder konnten fliehen. Nach wie vor gelten aber mehrere von ihnen noch als vermisst, und auch die Identifizierung der Opfer gestaltet sich schwierig.
So ganz überschaubar ist die Lage in der algerischen Wüste noch immer nicht. Gewiss ist hingegen, wer hinter der Geiselnahme steckt: Mokthar Belmokhtar, der einäugige Anführer der salafistischen Gruppe «Mouthalimin» («Die mit Blut unterzeichnen»).
Seine rechte Hand heisst Abdul Rahman al-Nigri, ein hoher Kommandant aus Belmokhtars Brigade. Offenbar ist es al-Nigri, der sich mit Dutzenden Geiseln noch immer in den Hallen der Anlage verschanzt.
Mischung aus Robin Hood und Osama Bin Laden
Belmokhtar zählt zu hundert Prozent auf al-Nigri, den er als «Mann für die schwierigen Missionen» einsetzt. Seit sich Belmokthar im vergangenen Jahr mit anderen Anführern der «Al-Kaida im Islamischen Maghreb» (AQMI) überworfen hatte, bauten er und al-Nigri in Gao im Norden Malis ein eigenes Basislager mit bis zu 300 Gefolgsleuten auf.
Von hier aus operierte Belmokthar bis zur Intervention Frankreichs gänzlich ungestört. Mit Geiselnahmen, Zigaretten- und Waffenschmuggel finanzierte er seine Gruppierung, mit Geldgeschenken an die Ärmsten und der Verbreitung salafistischer Überzeugungen rekrutierte er arbeitslose Jugendliche. Und mit hohen malischen Politikern arrangierte sich der 40-Jährige dahingehend, dass sie ihn gewähren liessen, solange er sie nicht zur Zielscheibe von Anschlägen machte.
Kontakt zu Bin Laden
Im Norden Malis hatte sich Belmokhar gut eingerichtet. Die Geiselnahme in In Amenas war seine Antwort auf den Einmarsch der französischen Truppen. Dazu gab ihm der brutale Coup die Möglichkeit, sich wieder der AQIM anzunähern, die mittlerweile zum Auffangbecken gewalttätiger Islamisten aus ganz Nordafrika geworden ist. Zudem zementierte Belmokhtar mit der Aktion seinen Ruf als möglicher Nachfolger von Osama bin Laden.
So warnte jetzt der Vorsitzende des deutschen Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU): «Belmoktar möchte in die Rolle seines Vorbilds Osama bin Laden schlüpfen.» Belmokhtar habe wie Bin Laden in Afghanistan schon gegen die Sowjetunion gekämpft und sei schon mehr als 20 Jahre als Islamist aktiv.
«Schon lange im Terrorgeschäft»
Tatsächlich wird Belmokhtar nicht erst seit der Geiselnahme von In Amenas als eine Art «Osama Bin Laden Afrikas» gehandelt. Als glühender Verehrer des saudischen Terrorfürsten benannte Belmokhtar einen seiner Söhne nach Bin Laden. Er selbst wurde ideologisch stark von Scheich Abdullah Yusuf Azzam, dem «Vater des globalen Dschihads» und Mentor Bin Ladens, geprägt und radikalisierte sich wie Bin Laden im afghanischen Widerstandskampf gegen die Sowjets.
Seit Anfang 2000 stand Belmokhtar über Boten persönlich mit Bin Laden in Kontakt. 2003 ortete der Uno-Sicherheitsrat eine direkte Verbindung zwischen Belmokhtar und Bin Laden und hielt fest, dass der Algerier «eine Schlüsselfigur innerhalb der ‹Al-Kaida im Islamischen Maghreb› sei. «Belmokhtar ist ein sehr ernster, selbstbewusster Mann mit einer ruhigen Autorität», sagt Robert Fowler, ein ehemaliger Diplomat, der im Jahr 2008 130 Tage von Belmokhtar gefangen gehalten wurde. «Er ist schon lange im Terrorgeschäft und weiss, wie man darin überlebt.»
Grossbritannien hat sich jetzt dazu entschlossen, Jagd auf den einäugigen Terroristen zu machen. Wie Premierminister David Cameron bekannt gab, sind Spezialeinheiten in Algerien gelandet. Sie sollen Belmokhtar wie einst Bin Laden in einer «kill or snatch»-Operation («töten oder fassen») zur Strecke bringen.