Fake News in China«Der Propaganda-Apparat Chinas läuft seit Tagen auf Hochtouren»
Die Reaktion der Schweizer Botschaft auf Falschmeldungen aus China war «ungewöhnlich», sagt China-Experte Ralph Weber. «Sie hat so international hohe Wellen geschlagen.»

- von
- Daniel Krähenbühl
Herr Weber, die Schweizer Botschaft in Peking deckte Falschmeldungen chinesischer Staatsmedien auf. Was sagen Sie dazu?
Die Tatsache, dass parteinahe Standpunkte über Social Media von Konten verbreitet werden, hinter denen keine wirklichen Personen stehen, ist seit langer Zeit bekannt. Interessant an diesem Fall ist, dass die Schweizer Botschaft die Sache aufnimmt, überprüft und dann auch öffentlich antwortet.
Dass die Geschichte für chinesische Medien attraktiv ist, hängt wohl mit dem anstehenden, von der Biden-Regierung in Auftrag gegebenen Bericht zum Ursprung des Coronavirus zusammen. Der Propaganda-Apparat der Kommunistischen Partei Chinas läuft seit Tagen auf Hochtouren.
Wie schätzen Sie die Reaktion der Schweizer Botschaft ein?
Die Reaktion der Schweizer Botschaft war ungewöhnlich und hat international hohe Wellen geschlagen. Es wurde in den chinesischen Medien ja stark betont, dass es sich um einen «Schweizer» Wissenschaftler handle. Das schien wichtig, weil man damit auf die Neutralität der Schweiz abhebend gegen die USA polemisieren konnte. Dagegen hat sich die Schweizer Botschaft zurecht verwehrt.
Ziemlich direkt sogar. Hat der Tweet allenfalls politische Konsequenzen?
Das ist bei der Volksrepublik China immer sehr schwer abzuschätzen, da Handlungen oft überraschend erfolgen, ohne dass eine zugrundeliegende Logik sofort erkennbar ist. Die chinesischen Medien, welche diese Geschichte portiert haben, stehen zwar unter der Kontrolle und teils Leitung des chinesischen Parteistaats, aber die Botschaft hat ja nicht direkt auf eine offizielle Handlung der Volksrepublik China reagiert, und die Reaktion war zudem sehr diplomatisch formuliert, wenn auch in der Sache unmissverständlich deutlich.
Wie reagieren chinesische Internetnutzer auf den Vorfall?
Der grösste Teil der Bevölkerung wird von dieser Geschichte nicht viel mitbekommen haben. Twitter ist in China ja nicht zugänglich, ausser durch einige partei- und staatsnahe Akteure, die diesen Kanal eben gerade für Propaganda benutzen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Chinas ausländische «Experten» als Erfindungen entpuppen. Wie kommt es dazu?
Das chinesische Propaganda-System kennt viele Instrumente und funktioniert teils auch nur schon durch die pure Menge an Kanälen und Informationen, die verbreitet werden. Seit Langem hat der chinesische Parteiapparat die gesteigerte Überzeugungskraft von fiktiven oder nicht-fiktiven ausländischen «Experten» einzusetzen verstanden. Wenn dann und wann etwas als Fälschung entlarvt wird, kann man das verkraften, vor allem solange vieles andere gut funktioniert und von nur allzu wenigen verstanden geschweige denn kritisch hinterfragt wird.

Ralph Weber ist Politologe, Professor an der Universität Basel und Experte für chinesische Politik.
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