«Time-out» mit Klaus ZauggDer SC Bern macht die Liga lächerlich
1:8 gegen die New York Rangers und jetzt 2:6 in der Hockey Champions League (CHL) gegen HV71. Die Resultate des SC Bern lassen auf den ersten Blick nur einen Schluss zu: Nicht nur im Fussball, auch im Eishockey ist unsere höchste Spielklasse international zweitklassig.
- von
- Klaus Zaugg ,
- Jönköping
Die Abwehr des SC Bern zerbrach wie ein billiges Ikea-Möbel beim ersten Ehekrach. Die Berner waren gegen den schwedischen Meister HV71 absolut chancenlos. Weil sie viel zu passiv spielten und das Spiel von allem Anfang an aus den Händen gaben. 40 Pucks prasselten auf Torhüter Marco Bührer ein - nur eine Operetten-Verteidigung lässt so viele Schüsse auf ihren Goalie zu. Bis zur Entscheidung (0:3) im Mitteldrittel brachten die Berner sage und schreibe zwei Schüsse aufs gegnerische Tor. Erst dann liessen die Schweden den SCB gewähren und erlaubten 26 Abschlussversuche. Die besten, mutigsten SCB-Spieler waren die im Juniorenalter stehenden Roman Josi und Etienne Froidevaux.
SCB-Sportchef Sven Leuenberger sprach hinterher von einem Klassenunterschied zwischen dem Eishockey in Schweden und in der Schweiz. In typischer helvetischer Manier wurde ein Gegner gross geredet, der zur Zeit in Schweden erst drei von acht Meisterschaftsspielen gewonnen hat, mehrere Schlüsselspieler wegen Verletzungen nicht einsetzen kann und in einer Formkrise steckt.
Eigentlich kein Klassenunterschied
Leuenbergers Analyse ist barer Unsinn. Unsere höchste Liga ist sehr viel besser als die kläglichen SCB-Spiele vermuten liessen. Es gibt keinen Klassenunterschied zwischen den besten Teams in Schweden und in der Schweiz. Unsere besten Mannschaften können auf Augenhöhe mit den schwedischen Konkurrenten spielen. Wenn sie richtig vorbereitet und gecoacht werden und wenn die Spieler mit hundertprozentigem Engagement bei der Sache sind. Das Verhalten der SCB-Führung ist typisch für das kleinliche Denken, das oft unseren Sport behindert und sich so wunderbar als Ausrede für eigene Unzulänglichkeiten eignet.
Davos und Lugano siegreich
Die Fakten: Die NLA-Vertreter haben die letzten beiden Partien auf diesem Niveau gegen die schwedischen Meisterteams im European Champions Cup (dem Vorgängerwettbewerb der CHL) gewonnen: Auswärts in St. Petersburg. Der HC Davos 2006 gegen Frölunda mit 6:2 und Lugano ein Jahr später gegen Färjestads 3:0.
Der SCB macht unsere Liga, unser Eishockey lächerlich und torpediert die jahrelangen Bemühungen, unser Eishockey mit der Nationalmannschaft, mit NHL-Drafts und mit guten Leistungen der Klubmannschaften international besser zu positionieren.
Überheblich und verweichlicht
Viel zu viele billige Siege in der letzten Saison haben die Spieler beim SC Bern verweichlicht und die Führung überheblich gemacht. Inzwischen taugen die SCB-Stars nicht mehr für wirklich harte, intensive Spiele. Immer mehr zeigt sich: Das sensationelle Ausscheiden in der ersten Playoffrunde im letzten Frühjahr gegen Fribourg war kein Zufall. Und jetzt geht es im gleichen Stil weiter.
Mit seinem zynischen Resultathockey in der heimischen Meisterschaft kann der SCB positiv als «Juventus Turin des Eishockeys» bezeichnet werden. Minimalleistungen reichen für Siege gegen Biel und Langnau. Aber dabei ist die Fähigkeit verloren gegangen, hart, konzentriert, schnell und präzis auf hohem Niveau zu spielen. Weil das Management und der Coach zu wenig fordernd sind, setzt der SCB kaum noch 60 Prozent seines Potenzials um. Aber 60 Prozent sind bei einer so talentierten Mannschaft meistens genug, um in der NLA-Qualifikation zu gewinnen.
Am 22. Oktober haben die ZSC Lions die Chance zur Imagekorrektur. Sie treten bei ihrem ersten CHL-Auftritt in Schweden gegen Linköping an. Jetzt müssen die Zürcher unsere Ehre retten.