Drama in Chile: Der schnellere Weg zu den Verschütteten

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Drama in ChileDer schnellere Weg zu den Verschütteten

Der Schock kam per Funk: Seit Mittwochabend wissen die verschütteten Kumpel, dass sie noch Monate auf ihre Rettung warten müssen. Damit wollen sich nicht alle abfinden.

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Nun wissen sie Bescheid: Den Bergleuten ist mitgeteilt worden, dass eine Rettung vor dem Nationalfeiertag am 18. September nicht möglich sei. «Wir hoffen aber, Weihnachten mit ihnen zusammen zu sein», sagte Gesundheitsminister Jaime Mañalich am Mittwoch vor Journalisten. Die anfängliche Euphorie unter den Verschütteten dürfte nun zunächst in «Depressionen, Angst und Niedergeschlagenheit» umschlagen, meint Mañalich weiter.

Dagegen will ein Psychologenteam nun mit einer Beschäftigungstherapie ankämpfen. Man wolle den Männern eine klare Tages- und Nachtstruktur geben. Ausserdem sollen sie mit Turnübungen fit gehalten werden, damit sie in vier Monaten durch den geplanten 66 Zentimeter breiten Schacht geborgen werden können. Das bedeute, dass keiner der Männer einen grösseren Bauchumfang als 90 Zentimeter haben darf, schreibt die chilenische Zeitung «El Universo». Ausserdem werde eine Spieltherapie in Betracht gezogen. Die Psychologen bereiteten dafür ein Kartenset und Spiele wie Domino oder Eile mit Weile vor, die nun hinabgeschickt werden.

Minen-Unglück: «Papi, wir warten auf dich»

700 000 Tonnen Gestein stehen im Weg

Die für die Bohrung des neuen Schachts vorgesehene Maschine ist unterdessen am Unglücksort eingetroffen. Pro Tag dürfte die «Strata Raisebore Machine 950», ein Spezialbohrer australischer Herkunft, etwa 20 Meter vorankommen. Das 29 Tonnen schwere Bohrmonster kann aber erst am Sonntag aufgestellt werden – zuerst müsse man das Fundament bauen, erklärten die Spezialisten.

Nur: Die an der Oberfläche wartenden Minenarbeiter und die Bevölkerung, die die Bergung laufend gespannt verfolgen, geben sich mit der langen Wartezeit nicht zufrieden. Viele fragen sich, wieso man nicht den Felsen sprengt, der den Weg zu den Verschütteten versperrt. Für Miguel Fortt, den zuständigen Ingenieur und Bohrexperten, ist die Antwort sehr simpel: Weil der Fels 700 000 Tonnen wiegt.

Technologie vs. Dynamit

Luis Diaz, ehemaliger Sprengstoffexperte, sieht die Sache etwas anders. «Es ist sehr einfach: Man bohrt ein 5-Zoll-Loch in den Fels. Dann wird ein etwa ein bis drei Meter langer Metallstab eingeführt. Zuerst wird er mit Nitrat gefüllt, dann mit expansivem Dynamit, dann wieder mit etwas Nitrat. Man fügt ein Leitrohr hinein, die Zündkapsel – und dann rennt man weg und hört nicht einmal einen Mucks», sagt er selbstbewusst.

Auf diese unkomplizierte Art könnte man das Hindernis rasch entfernen, das seit 19 Tagen den Verschütteten im Weg steht. «Der Lüftungskamin ist etwa zwei Meter breit. Die Männer erzählten, dass sie bis zur Ebene 44 steigen konnten, wegen der fehlenden Leiter aber nicht weiterkamen. Das heisst, sie könnten höchstens 50 bis 100 Meter vom Felsen entfernt gewesen sein. Man sprengt den Fels und lässt einen Käfig hinunter und dann ist die Sache erledigt», so Diaz' Ansatz.

Alles oder nichts

Tatsächlich stimmen viele erfahrene Minenarbeiter dem Sprengfachmann zu. Es sei keine ausserordentlich gefährliche Aktion, meinen sie. «Die Männer sind ja weit unten im Schutzraum und die Explosionen sind klein und kontrolliert.»

Das einzige Problem seien die Gase, die aus der Explosion entstehen. Man müsse die Sprengstelle immer wieder verlassen und erst nach einigen Minuten erneut sprengen. Mit jeder Explosion würde man sechs Meter vorankommen, das mache 50 Meter am Tag. «Man muss nur aufpassen, dass man nicht zu viel Dynamit aufs Mal verwendet», warnen die Arbeiter. Dann würde nämlich die ganze Mine zusammenkrachen. Die Wahl der Bergungsstrategie bleibt also eine Frage der Vernunft.

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