Velofahrer freigesprochen: Wegen Sturz sollte er 800 Franken «Gebühr» zahlen

Aktualisiert

Velofahrer freigesprochenWegen Sturz sollte er 800 Franken «Gebühr» zahlen

Nach einem Sturz mit dem Velo an einer behindertengerechten Kaphaltestelle kassierte Hans Peter (76) einen Strafbefehl. Jetzt wurde er freigesprochen.

von
mhu

Hans Peter vor der Unfallstelle in Basel. (Video: las/mhu)

Anfang Juli letzten Jahres verunfallte der Velofahrer Hans Peter an der behindertengerechten Kaptramhaltestelle Kirschgarten in Basel. Der pensionierte Ingenieur habe «zwangsmässig» dem Trottoir wegen der Verengung ausweichen müssen, sei dabei mit dem Vorderrad ins Tramgleis geraten und dabei so schwer gestürzt, dass er bewusstlos wurde und ins Spital gebracht werden musste.

Von der Staatsanwaltschaft wurde ihm daraufhin «Nichtbeherrschen des Fahrzeugs» vorgeworfen. Eine Busse habe der 76-Jährige zwar nicht erhalten, jedoch hätte er Gebühren von über 800 Franken bezahlen müssen. «Das ist schizophren!», fand der Rentner – und focht den Strafbefehl erfolgreich an.

Genugtuung statt Busse

Am Dienstag wurde Peter vor nun dem Basler Strafgericht freigesprochen und muss die Gebühren nun nicht bezahlen, schreibt Telebasel. Zusätzlich erhält er eine Partei-Entschädigung von über 700 Franken, wie er gegenüber 20 Minuten sagt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft könnte innert 10 Tagen in Berufung gehen.

Für Peter ist das eine Genugtuung: «Ich wusste, dass ich den Strafbefehl erfolgreich anfechten kann. Man muss sich nur wehren. Schliesslich war ich nach dem Unfall schwer verletzt.»

Unfall zieht politische Folgen nach sich

Trotz Freispruch des Verunfallten, habe das Verfahren nun politische Folgen. SP-Grossrat Kaspar Sutter will eine schriftliche Anfrage an die Regierung stellen und wissen, wieso Polizei und Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleiten, wenn eine Person an einer gefährlichen Stelle stürzt. Sutter sagt gegenüber Telebasel, es mache keinen Sinn, wenn der gleiche Kanton Stellen wie jene an der Kaphaltestelle sicherer machen wolle und die Strafverfolgungsbehörde solche Unfälle strafrechtlich verfolgen würde.

Auch der VCS beider Basel und Pro Velo beider Basel stellen nun die Praxis der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Frage, solche Unfälle mit Strafbefehlen zu verfolgen, wie beide in einer Medienmitteilung schreiben. «Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt scheint bei solchen Unfällen vorschnell Strafbefehle zu erteilen, obwohl sie, wie im aktuellen Fall, die Verletzung der Verkehrsregeln nicht beweisen kann», heisst es zum Beispiel von Seiten des VCSs.

Zudem schreibt Pro Velo, dass Velofahrende oft mehrere hundert Franken haben bezahlen müssen, auch wenn sie ohne nachweisbare eigene Schuld gestürzt seien. Einsprachen seien dann meist ausgeblieben, da dadurch noch grösser Kosten gedroht haben sollen. Der heutige Entscheid zeige aber, dass sich eine Einsprache lohne, wenn man nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt habe.

Staatlich verursachtes Unfallrisiko

Der Entscheid sei darum politisch bedeutsam, weil er indirekt bestätige, dass Kaphaltestellen ohne Velomassnahmen für Velofahrende ein vom Staat verursachtes Risiko darstellten. Pro Velo und VCS kämpften seit Jahren gegen solche «Velofallen». Sie forden lokale Umfahrungsmöglichkeiten und dass die Betreiber möglichst schnell für sichere Gleise mit Gummifüllung sorgen.

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