Schweizer Opfer«Der Sekten-Guru wollte mich heiraten»
Serra M. wurde von ihrer Mutter an den Sektenführer Adnan Oktar verkauft. Von der Schweiz ist sie enttäuscht: «Hier bin ich nicht sicher.»
- von
- Stefan Ehrbar
Die heute 15-jährige Serra M. wurde vom türkischen Prediger Adnan Oktar gefangen gehalten und missbraucht. «Meine Mutter hat mich an ihn verkauft», sagt M., die in der Schweiz lebt. Vergangene Woche wurde Oktar zusammen mit 180 Mitgliedern seiner Sekte festgenommen. Serra M. spricht mit 20 Minuten am Telefon über ihre Zeit bei Oktar und wie sie mit der Sekte in Berührung kam.
«Ich wurde in Istanbul als Tochter einer Türkin geboren. Im Alter von zwei Jahren trennten sich meine Eltern. Mit fünf begann meine Mutter eine Beziehung mit einem Schweizer. Zwei Jahre später sind wir in den Kanton Solothurn gezogen.
Dort ist meine Mutter mit Anhängern der Sekte von Adnan Oktar in Kontakt gekommen. Sie hat ein Facebook-Profil für mich eröffnet, auf das sie Fotos stellte, die mich in aufreizenden Posen zeigen. Sie hat sich in meinem Namen mit hohen Anhängern der Sekte angefreundet. So ist Oktar auf mich aufmerksam geworden.
Er hat meine Mutter angeschrieben, dass er mich bei sich haben wolle. Sie solle mich in die Türkei bringen. Das hat meine Mutter auch getan. Wieso? Es ging ihr um Geld.
Ich besuchte Oktar regelmässig in seiner Villa in Istanbul. Sein Plan war, dass ich ihn heirate, sobald ich 18 Jahre alt bin. Ich wurde nicht vergewaltigt, aber er hat Dinge mit mir gemacht. Er hat mich immer wieder an den Armen und Beinen berührt und mir Komplimente für meinen Po und meine Brüste gemacht. Er hat mich am Hals berührt und gesagt, dass ich einen hohen Puls hätte. Das zeige, wie sehr ich ihn liebe.
Ich musste ihm in die Augen schauen und ihm sagen, wie schön er ist und wie sehr ich ihn liebe. Er nannte mich Liebling. Er hat mir gesagt, dass wir zusammenleben werden. Meine Mutter werde nebenan wohnen. Er wollte mit mir zusammenziehen, sobald ich dreizehneinhalb Jahre alt bin.
Ich wollte das nicht und habe mich dagegen gewehrt. Bei meiner Mutter brachte das nichts. Also habe ich Kontakt zu meinem leiblichen Vater aufgenommen. Die Sekte wollte das nicht. Sie suchen Mädchen ohne Kontakt zu ihren Eltern, die sie missbrauchen können.
Mein Vater, der in Dubai lebte, hat meiner Mutter 4000 Euro bezahlt und in der Türkei das Sorgerecht für mich beantragt. Ich wohnte zuerst 14 Monate bei ihm in den Emiraten. Auf Drängen meiner Mutter reiste ich wieder zu ihr in die Schweiz. Ich merkte aber rasch, dass sie mich nach wie vor an Oktar verkaufen will. Ich habe mich an eine Schulsozialarbeiterin gewandt, die die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) eingeschaltet hat.
Die Kesb hat mich in eine Pflegefamilie eingewiesen. Dort habe ich 17 Kilo abgenommen, weil es mir schlecht ging. Es hat nicht funktioniert.
Mittlerweile wohne ich in einer Institution für betreutes Wohnen im Kanton Luzern. Glücklich bin ich dort nicht. Ich fühle mich von den Behörden im Stich gelassen. Mitglieder der Sekte haben mich in der Schweiz angerufen und via SMS bedroht. Ich fühle mich hier nicht sicher.»
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) gibt auf Anfrage bekannt, den Fall nicht zu kennen. Das Delikt falle aber in kantonale Zuständigkeit. Die Staatsanwaltschaft des Kantons, in dem die Mutter von Serra M. wohnt, gibt an, vom Fall ebenfalls nur aus den Medien zu wissen. Die zuständige Kesb war am Sonntag für 20 Minuten nicht erreichbar.