Medvescak ZagrebDer Spengler-Cup-Exot mit Schweizer Prägung
Medvescak Zagreb hat eine spezielle Geschichte. Der Weg des kroatischen Klubs führte vom Eishockey-Niemandsland bis in die russische KHL. Auch dank eines Schweizers.
- von
- Kai Müller ,
- Davos
Denkt man an Kroatien und Sport, fällt einem kaum als Erstes Eishockey ein. Und doch ist es das Spiel mit Stock und Puck, das in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren die meisten Zuschauer anzog. Der Eishockey-Klub Medvescak Zagreb ist ein Publikumsmagnet, lockte auch schon 15'000 Besucher an, wenn er seine Heimspiele in die grosse «Arena Zagreb» verlegte.
«Eishockey ist ein Produkt, das die Leute in Zagreb nicht kannten. Wir mussten ihre Neugier wecken», sagt Daniel Zimmermann. «Wir hätten aber nicht gedacht, dass es so schnell geht.» Der 49-jährige Zentralschweizer, der einst für Sauber arbeitete, ist seit den 1990er-Jahren in der Region tätig. In den Anfängen betreute er Sportler wie den slowenischen Weltklasse-Skifahrer Jure Kosir, der heute sein Geschäftspartner ist. Heute ist Zimmermann Marketing-Chef von Medvescak.
Freiluftspiele im Amphitheater
Nach Jahren der Dominanz in der Heimat strebten die Klub-Verantwortlichen einen Wechsel ins multinationale österreichische Championat an, der nach einem Zwischenhalt in Slowenien (2006 bis 2009) vollzogen wurde. Zu dieser Zeit stiess Zimmermann dazu, der neue Wege beschritt, um die Marke Medvescak zu positionieren. Er lancierte Freiluftspiele im historischen Stadtkern Zagrebs oder im September 2012 zwei Abendpartien im 2000 Jahre alten römischen Amphitheater in der Hafenstadt Pula, die weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung fanden. Das rege Interesse der Bevölkerung an Medvescak rief die KHL auf den Plan, die damals einen expansiven Kurs verfolgte und neue Standortmöglichkeiten prüfte. 2013 wurde Zagreb in die beste Liga Europas integriert und ist seither die westlichste Destination eines Hockey-Konglomerats mit bis zu neun Zeitzonen.
Die Mannschaft, die zwanzig teils NLA-erfahrene Nordamerikaner in ihren Reihen weiss, überraschte im ersten Jahr mit dem Vorstoss in die Playoffs. Dies, obwohl sich das Budget im Bereich von acht bis neun Millionen Dollar bewegt und das kleinste der Liga ist. Laut Zimmermann stemmt der russische Energieriese Gazprom, der grösste Erdgaslieferant der Welt, 60 bis 70 Prozent des Etats, «sonst wäre es sehr schwierig für uns». In dieser Saison findet sich der Aussenseiter am Tabellenende der Western Conference wieder. Der schwache Saisonstart führte zu einem Trainerwechsel, seit Oktober steht der langjährige EVZ-Coach Doug Shedden an der Bande.
70 Schlachtenbummler kommen nach Davos
In den letzten Wochen hielten sich hartnäckige Gerüchte, dass Gazprom den Geldhahn bald zudreht. Zimmermann reagiert gelassen auf dieses Thema: «Uns liegt in diesem Zusammenhang kein offizielles Statement der KHL vor. Wir gehen davon aus, dass der Dreijahresvertrag eingehalten wird und wir auch in der nächsten Saison in Russland spielen.» Sollte sich mittelfristig trotzdem eine Wende abzeichnen, hat Medvescak gemäss Zimmermann einen Plan B: «Uns liegen im Notfall verschiedene Optionen vor. Eine Rückkehr in die österreichische Liga wäre in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen.» Zagrebs U20-Team spielt immer noch dort.
Medvescak kann seine Spengler-Cup-Premiere also ohne Existenzsorgen im Hinterkopf geniessen. Der erste Härtetest folgt heute Abend (ab 20.15 Uhr im Liveticker auf 20minuten.ch) gegen Team Canada. Dabei kann der Underdog auf Unterstützung aus der Heimat zählen. 70 Schlachtenbummler sind für die Gruppenspiele mit einem doppelstöckigen Car angereist – und übernachten in der Zivilschutzanlage Landquart, weil die Alternativen zu teuer wären. Die hartgesottenen Fans sind der beste Beweis dafür, dass die Eishockey-Leidenschaft Zagreb erfasst hat.