StagflationDer US-Wirtschaft droht ein Kopfstand
Die USA könnten in nächster Zeit in eine so genannte Stagflation schlittern - eine wirtschaftlich verzwickte Lage, die erstmals Ende der Sechziger beobachtet wurde. Was genau bedeutet das?
Jenseits des Atlantiks sieht sich der Markt im Moment einer besonderen Gefahr ausgesetzt: Während die Inflation steigt, lässt die Wirtschaftsdynamik nach, eine so genannte Stagflation ist im Anzug. Grund dafür ist, dass die US-Notenbank Federal Reserve angesichts der düsteren Aussichten für die Wirtschaft ihren Schlüsselzins seit Ausbruch der US-Krise im vergangenen Sommer bereits von 5,25 auf 2,0 Prozent gesenkt hat. Sie will damit eine Rezession verhindern.
Dabei steckt die Fed in einem Dilemma: Zinssenkungen kurbeln zwar die Wirtschaft an – sie bergen aber gleichzeitig die Gefahr, die ohnehin wegen der hohen Öl- und Lebensmittelpreise steigende Inflation weiter anzuheizen. Der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan warnte deshalb bereits vor der gefürchteten Stagflation. Viele Konsumenten würde das besonders hart treffen.
Stagnation und Inflation gleichzeitig
Stagflation ist eine Zusammensetzung der Worte Stagnation und Inflation. Es beschreibt den Zustand eines Währungsgebietes, in dem Inflation und volkswirtschaftliche Stagnation zusammenkommen. Während einer Phase der Stagflation gelingt es einer Volkswirtschaft weder die Produktionskapazitäten durch vermehrten Geldeinsatz und Krediterleichterung stärker auszulasten, noch die überhöhte Geldentwertungsrate durch ein geringeres Aktivitätsniveau zu reduzieren. Beide Ziele schliessen sich gegenseitig aus und stellen ein wirtschaftspolitisches Dilemma dar.
Bis Ende der Sechzigerjahre war das Phänomen unbekannt. Es wurde erstmals 1969 zu Beginn der ersten Ölpreiskrise in den USA und Grossbritannien beobachtet. Der Begriff wurde Anfang der Siebzigerjahre auch in der Bundesrepublik beim Bundestagswahlkampf 1972 verwendet, um eine vergleichsweise lang anhaltende wirtschaftliche Stagnation und eine vergleichsweise hohe Inflationsrate zu erklären.
Ursachen und Auswirkungen
In der Regel sind die Auslöser von Stagflationen Angebotsschocks, die durch Kostendruck das Preisniveau beeinflussen. Firmen werden etwa durch stark steigende Energiepreise, Missernten oder eine branchenspezifische, aggressive Lohnpolitik der Gewerkschaften gezwungen, ihre Preise zu erhöhen.
Produzenten wandeln ihre höheren Produktionskosten in höhere Absatzpreise um. Da die Gesamtnachfrage der Volkswirtschaft vorerst unverändert bleibt, setzen die Unternehmen bei höheren Preisen weniger um, verringern dann ihre Produktion und entlassen Arbeiter. Jetzt erst kommt es zu den typischen Begleiterscheinungen des abwärtsgerichteten Konjunkturverlaufs: Mit steigender Arbeitslosigkeit, schrumpfenden Einkommen und enttäuschten Absatzerwartungen der Unternehmen geht eine dämpfende Wirkung auf die Preise einher.
(scc/gal)