
Rund um Muskelaufbau und Proteine ranken sich viele Mythen. Wir haben bei einer Expertin nachgefragt und Antworten erhalten.
Fitness BustersDie 5 grössten Mythen zu Protein und Muskelaufbau
Extra-Proteine für extra viele Muskeln oder sind Nahrungsergänzungsmittel absolut unnötig? In unserer Reihe «Fitness Busters» räumen wir mit fünf gängigen Mythen rund um Proteine auf.
- von
- Michelle de Oliveira
Wer Muskeln will, braucht Extra-Protein – und zwar in grossen Mengen. Oder etwa doch nicht und man kann sich die Nahrungsergänzungsmittel sparen? Wenn es um Muskelaufbau und Proteine geht, scheiden sich die Geister. Wir haben bei der Ernährungspsychologischen Beraterin und Sport-Trainerin Nadia Bächli nachgefragt.

Die diplomierte Fitness- und Bootcamp-Trainerin und Ernährungspsychologische Beraterin Nadia Bächli.
1. Je mehr Proteine, desto besser für den Muskelaufbau
Jein. Klar ist, dass Proteine unverzichtbar sind, wenn man Muskeln aufbauen will. Die Fitnessexpertin Nadia Bächli empfiehlt: «Eine grobe Richtlinie ist ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Wenn du also 80 Kilogramm wiegst, solltest du täglich 80 Gramm Protein zu dir nehmen.» Und zwar kann der Körper das Protein besser verwerten, wenn es über den Tag verteilt aufgenommen wird: «Es macht also wenig Sinn, einfach jeden Abend ein grosses Stück Fleisch zu essen.» Zum Beispiel direkt nach dem Training lohnt es sich, einen Protein-Snack zu essen, damit die Muskulatur gut versorgt ist.

Als Faustregel gilt: Täglich ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen.
Aber man kann eben auch zu viel Protein zu sich nehmen, was etwa zu Nierenproblemen führen kann. «Man muss jedoch schon extrem viel Protein essen, damit das passiert», erklärt Bächli. Konsumiert man übermässig viele Protein-Ergänzungsmittel zum Beispiel in Form von Shakes, ist die Gefahr grösser.
Nimmst du zusätzlich Protein ein, um effizienter Muskeln aufzubauen?
2. Alle Proteinprodukte sind gesund
Nein. Denn: Ein hoher Proteingehalt bedeutet nicht automatisch, dass ein Produkt auch gesund ist. «Für einen erfolgreichen Muskelaufbau sind Proteine zwar relevant, aber für die Gesundheit und das Körpergewicht sind gesunde Inhaltsstoffe generell wichtiger», sagt Bächli. Darum muss auch auf andere Inhaltsstoffe geachtet werden, wie zum Beispiel Zucker oder ein hoher Fettgehalt.

Manche Protein-Produkte können zu Verdauungsproblemen wie zum Beispiel Blähungen führen.
Ausserdem enthalten Shakes, Proteinriegel oder Puddings oft viele Süssstoffe und können Verdauungsprobleme wie Blähungen verursachen. Je natürlicher die Proteinquelle ist, desto besser wird sie vom Verdauungssystem toleriert.
3. Veganes Protein ist gleich gut wie tierisches
«Es ist definitiv möglich, ausreichend Proteine aus rein pflanzlichen Quellen zu beziehen», sagt die Expertin, «aber es erfordert ein wenig mehr Aufmerksamkeit.» Pflanzliches Protein hat in der Regel eine niedrigere biologische Wertigkeit als tierisches Protein, kann vom Körper also etwas weniger effizient verwertet werden. Durch die Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen – etwa Tofu und Reis – kann die biologische Wertigkeit erhöht werden.

Es ist möglich, ausreichend Proteine aus rein pflanzlichen Quellen zu beziehen – auch mit Hilfe von veganen Nahrungsergänzungsmitteln.
Viele vegane Proteinpulver enthalten daher eine Kombination verschiedener Proteinarten wie zum Beispiel Sonnenblumenprotein, Reisprotein und Sojaprotein. «Aber auch andere Faktoren wie Nährstoffdichte, Umweltauswirkungen und ethische Überlegungen sollten die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Proteinquelle beeinflussen.»
4. Nahrungsergänzungsmittel sind zwingend für den erfolgreichen Muskelaufbau
Nein. «Es gibt viele natürliche Lebensmittel, die reich an Protein sind, wie Eier, Fisch, Fleisch, Hüttenkäse oder Sonnenblumenhack, Hülsenfrüchte und Kerne, Samen und Nüsse, um nur einige zu nennen», sagt die Expertin. Der Vorteil: Diese Lebensmittel bieten nicht nur Protein, sondern auch eine Vielzahl anderer wichtiger Nährstoffe.

Proteinreiche Nahrungsmittel bringen im Gegensatz zu Präparaten den Vorteil, dass sie auch viele andere wichtige Nährstoffe enthalten.
Für Menschen, die vegan leben und wenig Zeit zum Kochen haben, kann es jedoch sinnvoll sein, auf Nahrungsergänzungsmittel wie Proteinshakes zurückzugreifen, um sicherzustellen, dass sie genug Protein aufnehmen. «Es ist aber wichtig zu beachten, dass Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung sind», sagt Bächli. «Sie können lediglich eine praktische Ergänzung sein.»
5. Protein hilft beim Abnehmen
Ja, weil Protein den Muskelaufbau unterstützt und gleichzeitig die Fettverbrennung fördern kann. «Aber nur dann, wenn es Teil einer kalorienbewussten Ernährung ist», betont Bächli. Und es muss beachtet werden, dass nicht alle Proteinquellen gleich gut sind, wenn man abnehmen will: Einige haben auch einen hohen Fett- oder Kohlenhydratgehalt, was dem Gewichtsverlust im Weg stehen kann. «Es ist daher ratsam, auf magere Proteine zu achten, wie zum Beispiel Poulet», erklärt Bächli. «Andere Quellen wie Nüsse, Samen und Kerne haben einen hohen Fettanteil und sollten massvoll konsumiert werden, um ein Kaloriendefizit zu erreichen.» Auch Käse ist eine Proteinquelle, aber hat ebenfalls einen hohen Fettgehalt, sodass es beim Abnehmen eher als Ausnahme betrachtet werden sollte.

Protein kann die Fettverbrennung fördern und so bei Abnehmen helfen – aber nur, wenn du dich auch regelmässig bewegst.
Übrigens: Je mehr Muskelmasse du hast, desto mehr Kalorien verbrennt dein Körper auch im Ruhezustand. Wenn du schlank sein willst, solltest du auf eine proteinreiche Ernährung und regelmässiges Krafttraining achten.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine Essstörung?
Hier findest du Hilfe:
Fachstelle PEP, Beratung für Betroffene und Angehörige
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61