DevisenturbulenzenDie alte Ordnung ist tot
Früher war es einfach: Der Dollar war die Leitwährung, der Franken stark und die europäische Wirtschaft gab dem Euro Stabilität. Das ist vorbei. Künftig wird es eine neue Leitwährung geben.
- von
- Werner Grundlehner

Der Yuan läuft dem Dollar den Rang ab – früher oder später
Die Turbulenzen an den Devisenmärkten haben mehrere Ursachen: Einerseits ist es die Geldpolitik der Notenbanken. Die Industriestaaten – insbesondere die USA – verfolgen die Politik des «leichten» Geldes. Um Unternehmen, Branchen oder ganze Staaten zu retten, wurden die Zinsen über Jahre viel zu niedrig gehalten und liquide Mittel in nie gesehenem Umfang in die Märkte gepumpt. Die Geldmenge expandierte über viele Jahre rund doppelt so schnell wie die Wirtschaft. Das ist Gift für die entsprechende Währung. Denn: Gibt es von einem Produkt zu viel, sinkt der Preis.
Die globalen Ungleichgewichte im Handel ohne entsprechende Währungsanpassungen sind ein weiterer Grund. So werden seit Jahren die riesigen Leistungsbilanzdefizite der USA durch China und arabische Länder gedeckt. Und das geht so: Die USA kaufen riesige Mengen an chinesischen Waren. Mit den Verkaufserlösen erwirbt das Reich der Mitte vor allem US-Staatsanleihen. Eigentlich müsste sich dadurch die chinesische Währung aufwerten, da China wirtschaftlich stark ist und seine Währung gesucht. Tut sie aber bisher nicht, da der Yuan-Wechselkurs bis vor wenigen Tagen fix an den Dollar gekoppelt wurde. Und auch jetzt besteht nur wenig Raum für einen Kursanstieg.
Ungleichgewichte rufen nach flexiblen Kursen
Zu den Ländern, die Leistungsbilanzüberschüsse erzielen, gehören auch Deutschland, Japan und die ölexportierenden Staaten. Auf der Defizitseite finden sich neben den USA Grossbritannien, Spanien und Teile Osteuropas. Das Problem der Eurozone ist, dass Ungleichgewichte, beispielsweise zwischen Deutschland und Griechenland, nicht über den Wechselkurs ausgeglichen werden können – es verwenden ja beide den Euro. «In der Vergangenheit waren Festkurs-Systeme besonders anfällig auf jegliche Art von Schocks – das verdeutlichen die jüngsten Probleme des Euro», sagt Susanne Toren, Währungsspezialistin der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Denn der Wechselkurs als wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument des Gegensteuerns entfalle weitgehend.
«Diese Art von Umwälzungen an den Devisenmärkten sind Gott sei Dank nicht an der Tagesordnung», sagt Susanne Toren. Sie seien nämlich mit beträchtlichen volkswirtschaftlichen Kosten wie etwa der Kursabsicherung im Aussenhandel verbunden. Grosse Währungskrisen habe es schon immer gegeben, etliche auch in den vergangenen 100 Jahren – sehr viele im Zusammenhang mit politischen Umwälzungen, aber auch solche mit festen Wechselkurssystemen wie der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Festkurssystems Anfang der Siebziger Jahre.
Ein Kunstgebilde als Reserve
Der US-Dollar wird laut Toren im Jahresverlauf wahrscheinlich noch einmal an Wert zulegen. Aber: «Auf lange Sicht wird der Dollar seine Leitwährungsrolle sukzessive einbüssen, wodurch der Dollarkurs weiter belastet wird». China hat schon mehrfach die Ablösung des US-Dollars als Leitwährung gefordert. So glaubt der chinesische Zentralbankchef, es sei zu gefährlich, sich auf die Währung eines einzigen Landes abzustützen. Das Verlustpotenzial für das Reich der Mitte ist im Fall einer weiteren Dollarabwertung riesig. Das Land sitzt auf Devisenreserven in Höhe von 2400 Milliarden US-Dollar.
Die Chinesen schlagen aber nicht die eigene Währung als globale Reservewährung vor, sondern Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese künstliche Zahlungseinheit umfasst ein Währungskorb mit allen wichtigen Weltwährungen. Das Instrument war bis zum Ende des Bretton-Woods-Systems mit festen Wechselkursen bereits einmal in Gebrauch. «Der Wunsch Chinas reflektiert den unangenehmen Umstand, dass es gute Gründe gibt, sowohl Dollar als auch Euro, Pfund und Yen zu meiden», erklärt Thomas Flury, Leiter Devisenresearch der UBS.
Franken wird Leitwährung
ZKB-Analystin Susanne Toren sieht langfristig den chinesischen Yuan als Leitwährung: «Der Yuan wird sich aber nicht rasch etablieren können. Dafür sind die chinesischen Finanzmärkte noch zu geschlossen und vergleichsweise unbedeutend». Im Übergangsvakuum während der Ablösung der alten zur Etablierung der neuen Leitwährung würden kleinere Währungen – insbesondere Rohstoffwährungen – an Bedeutung gewinnen, daneben aber auch Gold als klassische «Alternativwährung». Nicht von ungefähr stockten derzeit die devisenstarken Notenbanken aus den Schwellenländern ihre Reserven mit Gold und zunehmend auch mit Rohstoffwährungen wie dem Brasilianischen Real und dem Australischem Dollar auf. Aber auch die Währungen von Ländern mit soliden Staatsfinanzen werden verstärkt nachgefragt. Dazu gehört gemäss Toren neben der norwegischen und der schwedischen Krone auch der Schweizer Franken.
Nach Ansicht von Thomas Flury kann Gold jedoch nur als Wertaufbewahrungsmittel dienen. Würde das Edelmetall Transaktions- und Recheneinheit werden, «würde das unser effizientes Geldsystem um Jahrzehnte zurückwerfen».
«Man muss unterscheiden zwischen Transaktionswährung und Reservewährung», so Thomas Flury. Der Dollar bleibe die wichtigste Transaktionswährung, alles andere sei unpraktisch. Als Reservewährung habe der Dollar in den vergangenen Jahren gegenüber dem Euro an Gewicht eingebüsst und «jüngst gegenüber dem Yuan». Die grössten Chancen als zukünftiger «Devisen-Champion» habe indes der Yuan. Die chinesische Währung habe das beste Aufwertungspotenzial und sei den Turbulenzen anderer Länder am wenigsten ausgesetzt. Das Verhältnis zwischen Dollar und Euro bezeichnet der UBS-Stratege als «Gleichgewicht der Schwäche».