Kampf der Grossmächte: Die Amerikaner haben noch 27 Jahre

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Kampf der GrossmächteDie Amerikaner haben noch 27 Jahre

Von wegen China hole den Westen bald ein: Glaubt man einem amerikanischen Top-Ökonomen, dauert es noch über eine Generation, bis es tatsächlich so weit ist.

Gérard Moinat
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Gérard Moinat
Zu früh gelacht: Es dauert noch über eine Generation, bis China den USA den Platz an der Sonne wegnimmt.

Zu früh gelacht: Es dauert noch über eine Generation, bis China den USA den Platz an der Sonne wegnimmt.

China hat die Wirtschaftskrise schneller überwunden als viele westliche Länder: Im auslaufenden Jahr dürfte das chinesische Wirtschaftswachstum fast unverändert bei stolzen 10 Prozent liegen.

Ganz im Gegensatz dazu leckt sich die grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, immer noch die Wunden. Der Internationale Währungsfonds IWF prognostiziert den Vereinigten Staaten für 2010 nämlich ein Wachstum von lediglich 2,6 Prozent. Zudem ist fast jeder zehnte Amerikaner ohne Arbeit.

Für die ambitiösen Amerikaner sind diese Zahlen alarmierend. Entsprechend machen sie sich derzeit Sorgen darüber, wo die «grosse Nation» in zehn, zwanzig oder gar dreissig Jahren stehen wird. Vor allem schielen die Amerikaner auf die andere Seite des Pazifiks: Und zwar nach China, ihrem wirtschaftlichen Gegenspieler Nummer Eins.

Bange Blicke über den Pazifik

Auch die Wirtschaftswissenschaftler beim Council Of Economic Advisers, einem Beratungsorgan des US-Präsidenten, machen sich darüber Gedanken, wo ihr Land künftig stehen wird. Edward Lazear, ein Mitglied des Councils, zeichnet ein düsteres Bild.

In einem Interview mit dem amerikanischen Wirtschafts-TV-Sender CNBC prognostiziert er: «Wenn die USA und China mit den jetzigen Wachstumsraten weiterwachsen, wird der durchschnittliche Chinese in 27 Jahren reicher sein als der Durchschnitts-Amerikaner». Man erwarte dannzumal einer völlig umgekrempelte Welt, wenn die USA die Wachstumsraten nicht zu steigern vermögen.

Gründe zur Sorge dafür gibt es gemäss Lazear viele. Ein Hauptpunkt sei sicher, dass sich China derzeit in einer völlig anderen Situation befinde als die USA: «China hat den Vorteil, jetzt dahin aufrücken zu können, wo wir stehen.» Er spricht damit zum Beispiel von den massiven Investitionen, die die Chinesen in ihre Infrastruktur stecken und damit enormes wirtschaftliches Potenzial entfesselten.

Noch kein Grund zur Sorge?

Im Reich der Mitte gehe es also um eine Verschmelzung des Vorhandenen, wie es Lazear nennt. Auf der anderen Seite seien die Amerikaner dazu gezwungen, ständig die «final frontier», die äussersten Grenzen auszutesten und neue Wachstumsfelder zu finden. Letzteres sei viel anspruchsvoller, als lediglich das zu machen, was man immer schon gemacht habe.

Auch äussert sich der Ökonom dazu, was die USA gegen die drohende Entwicklung tun könnten. Dabei setzt er auf Altbewährtes: Wichtig seien tiefe Steuern und die fiskale Situation im Griff zu behalten, sprich die öffentlichen Ausgaben zurückzufahren. Auch ein positives Businessklima und Investitionen in menschliches Kapital seien längerfristig existenziell wichtig.

Doch schaut man sich an, wo die beiden derzeit Länder stehen, ist es doch noch ein bisschen früh dafür, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Denn China ist noch meilenweit von den USA entfernt: Gemäss den IWF Zahlen lag das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf in den USA im Jahr 2009 bei 46 381 Dollar. Die Chinesen kommen lediglich auf 6567 Dollar — also immer noch nur einem Siebtel dessen, was ein Amerikaner erwirtschaftet.

Zudem entsprechen 27 Jahre doch mehr als einer Generation. Also noch eine recht lange Zeit, bis die Chinesen tatsächlich zu den Amerikanern aufgeschlossen haben. Vorausgesetzt die jetzigen Trends setzen sich fort. Dass dies häufig nicht so ist, hat die Vergangenheit nur zu oft bewiesen.

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