Interview«Die Araber sind für die Luftschläge»
Die arabischen Regierungen unterstützen die Intervention in Libyen nicht zuletzt aus Angst vor dem Volk, sagt der palästinensische Polit-Experte Rami Khouri.
- von
- Kian Ramezani

Ägypter demonstrierten am Dienstag vor dem Hauptsitz der Arabischen Liga in Kairo gegen den libyschen Diktator Gaddafi. Gleichzeitig setzten die alliierten Luftstreitkräfte ihre Angriffe auf Ziele in Libyen fort.
Nicht nur in Europa und in den USA, auch in der arabischen Öffentlichkeit werden Vor- und Nachteile der westlichen Militärintervention in Libyen abgewogen. Die Erinnerungen an die US-Invasion im Irak und die langjährige Besatzung sind noch frisch, ebenso wie die Eindrücke aus dem libyschen Bürgerkrieg, wo Muammar Gaddafi mit ungeheurer Brutalität gegen sein eigenes Volk vorgeht.
20 Minuten Online befragte Rami Khouri, dem Direktor des Issam Fares Institute for Public Policy an der Amerikanischen Universität in Beirut, was die Araber über westliche Luftangriffe auf einen Bruderstaat denken, warum den arabischen Regierungen die ganze Sache doch nicht ganz geheuer ist und was er von der Arabischen Liga hält.
20 Minuten Online: Wie reagiert die arabische Öffentlichkeit auf die Luftschläge in Libyen?
Rami Khouri: Ich möchte nicht verallgemeinern, aber mein Eindruck ist, dass die Mehrheit die Militärintervention unterstützt. Sicherlich sehen es einige nicht gern, wenn der Westen ein arabisches Land bombardiert, aber die befinden sich derzeit in der Minderheit.
Das könnte sich ändern?
Wenn die Luftangriffe schlecht herauskommen und viele Zivilisten sterben, wird sich die öffentliche Meinung in den arabischen Staaten schnell gegen die Militärintervention wenden.
Was genau erhoffen sich die Araber von der Aktion? In den Hauptstädten Europas und Amerikas scheint man nicht so recht zu wissen, was man mit Gaddafi machen soll.
Die Araber wollen, dass die Alliierten das Leben libyscher Zivilisten beschützen und nicht, dass sie Gaddafi ausschalten. Allenfalls schwächen sie ihn so weit, dass die Opposition sich durchsetzen kann.
Glauben Sie die Aktion wird ein Erfolg?
Zumindest teilweise ist sie das bereits. Der Sturm auf Bengazi wurde verhindert und laut Medienberichten konnten Menschenleben gerettet werden.
In einem früheren Interview sprachen Sie einmal vom «üblichen Graben zwischen der arabischen Führung und dem arabischen Volk». Was meinten Sie damit?
Wir sprechen hier nicht über demokratische Systeme. Arabische Regierungen fällen Entscheidungen gemäss ihren eigenen Kriterien und Interessen, die sich nicht unbedingt mit jenen der Bevölkerung decken. Denken Sie an den Gazakrieg vor zwei Jahren: Damals schwieg die ähyptische Regierung weitgehend, während die ägyptische Bevölkerung heftig dagegen protestierte.
Und im Fall Libyen?
Nur zwei Mitglieder der Arabischen Liga, Syrien und Algerien, sprachen sich gegen die Durchsetzung einer Flugverbotszone aus. Die anderen waren dafür und machten so einen Schritt auf die öffentliche Meinung in ihren Ländern zu. Aufgrund der jüngsten Umwälzungen im Nahen Osten haben sie wohl gemerkt, dass sie sich gefährlich weit von den Leuten auf der Strasse entfernt hatten.
Trotzdem entsteht der Eindruck, dass den arabischen Regierungen nicht ganz wohl bei der Sache ist.
Natürlich nicht, sie glauben, sie könnten schon bald als nächste dran sein.
Wie interpretieren Sie die nachträgliche Kritik der Arabischen Liga und ihres Vorsitzenden Amr Mussa an den Luftschlägen?
Sie sorgen sich vermutlich um zivile Opfer. Im übrigen würde ich mir nicht allzu viele Gedanken über die Arabische Liga machen. Das ist keine repräsentative Organisation. Sie vertritt arabische Regierungen, nicht die Araber an sich.
Wie berichten arabische Medien über die Militärintervention?
Die arabische Medienlandschaft ist sehr fragmentiert und viele haben Verbindungen zu den jeweiligen Regierungen. Das bedeutet, dass sie nur ungern vertieft auf solche Themen eingehen, vielleicht mit der Ausnahme von «Al Jazeera».