Polizist erzählt: «Die Gewalt gegen uns ist schwierig zu verstehen»

Aktualisiert

Polizist erzählt«Die Gewalt gegen uns ist schwierig zu verstehen»

Mit Respekt gehe er gegen Gewaltbereite in den Einsatz, erzählt ein Stadtpolizist. Dass er und seine Kollegen zu Hassobjekten würden, sei bedenklich.

von
ann
1 / 9
Die Reitschule in Bern während der Demonstration am Samstag, 25. Februar 2017. Bei der Protestkundgebung am Samstagabend wurden mehrere Personen verletzt - vor allem 10 Polizisten durch Laserattacken und Feuerwerk.

Die Reitschule in Bern während der Demonstration am Samstag, 25. Februar 2017. Bei der Protestkundgebung am Samstagabend wurden mehrere Personen verletzt - vor allem 10 Polizisten durch Laserattacken und Feuerwerk.

Keystone/Stringer
Für jeden Polizisten sind solche Ereignisse schwer zu verstehen, sagt ein Zürcher Stadtpolizist.

Für jeden Polizisten sind solche Ereignisse schwer zu verstehen, sagt ein Zürcher Stadtpolizist.

Keystone/Stringer
In Bern kommt es rund um die Reitschule immer wieder zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Polizei und Linksautonomen. Diese Bilder stammen vom März 2016.

In Bern kommt es rund um die Reitschule immer wieder zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Polizei und Linksautonomen. Diese Bilder stammen vom März 2016.

Keystone/str

Herr S.,* wie fühlt man sich, wenn man beim Ordnungsdienst-Einsatz mit massiver Gewalt rechnen muss?

Grundsätzlich wissen wir meist, was uns erwartet, weil so ein Einsatz immer sehr detailliert vorbereitet wird und wir sehr gut darüber informiert werden – besonders bei Fussball- oder Eishockey-Spielen. Aber wenn man weiss, es geht um gewaltbereite Personen, geht man schon mit dem entsprechenden Respekt in den Einsatz. Mir hilft das Vertrauen ins Team, in den Verbund – wir schauen aufeinander.

In Bern etwa entlud sich die ganze Wut gegen die Polizisten im Einsatz. Was geht einem da durch den Kopf?

Das haben wir alle schon erlebt, dass einem ganz extreme Aggression entgegenschlägt. Ich habe mich schon gefragt, was ich für das Gegenüber bin. Ich bin ja genauso ein Mensch wie sie – zu Hause habe ich Kinder und eine Partnerin, ich habe auch Eltern und Freunde. Ich finde es bedenklich, wenn man Polizisten einfach als Hassobjekte betrachtet.

Wurden Sie auch schon wütend?

Sühne und Vergeltung haben bei solchen Einsätzen nichts zu suchen. Es ist wichtig, dass wir uns nicht auf das gleiche Level wie unser Gegenüber begeben. Darin werden wir lange geschult, denn wenn wir die Fassung verlieren, wird es nicht nur für uns, sondern auch für die Kollegen gefährlich. Das darf einem nicht passieren.

Was tun Sie, um einen kühlen Kopf zu bewahren?

Ganz ausblenden kann man die eigenen Gefühle nicht, aber ich versuche mich auf den Einsatz zu konzentrieren. Wichtig ist das Vertrauen in das Team, die Ausrüstung und in die eigene Stärke und Professionalität.

Aber die besten Gefühle hegen Sie für die Krawallmacher wohl nicht?

Dass ich nicht gerade darauf erpicht bin, mit ihnen am nächsten Tag ein Feierabendbier trinken zu gehen, versteht sich wohl von selbst.

Sind sie schon einmal im Einsatz verletzt worden?

Ich bin schon angegangen worden, verletzt aber nicht – Kollegen hingegen schon. Die Gewalt, die da zum Teil gegen uns gerichtet wird, auch wenn es ein anderes Korps, etwa in Bern, betrifft, ist schon schwer zu verstehen. Wenn dann noch Böller oder Laserpointer gezielt eingesetzt werden, was schwere Verletzungen zur Folge haben kann, beschäftigt einen das schon.

Wie geht man damit um?

Wir haben einerseits polizeiinterne Betreuungsangebote, die wir in Anspruch nehmen können. Andererseits ist für mich wichtig, im Team miteinander darüber zu reden, aber auch die Nachbesprechung nach dem Einsatz und die Aufarbeitung im Privaten helfen. Familie und Freunden kommt da eine wichtige Rolle zu.

Haben Sie es manchmal satt, als Prellbock der Gesellschaft zu dienen?

Wenn man sich für den Beruf des Polizisten entscheidet, weiss man, dass beim Erscheinen der Polizei nicht alle vor Begeisterung in die Hände klatschen. Wir verkörpern das Gewaltmonopol des Staates. Aber gezielte Gewalt gegen uns müssen und dürfen wir nicht akzeptieren. Das geht entschieden zu weit.

*Herr S. ist Zürcher Stadtpolizist, sein Name ist der Redaktion bekannt

Deine Meinung