Sitzplatz-Blockierer: «Die Japaner brauchen im Zug weniger Platz»

Aktualisiert

Sitzplatz-Blockierer«Die Japaner brauchen im Zug weniger Platz»

Die SBB-Spitze reiste kürzlich nach Japan. VR-Präsident Ulrich Gygi sagt nun, was die Asiaten besser machen. Und warum man in der Schweiz noch Jahrzehnte auf Hochgeschwindigkeitszüge warten muss.

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Ulrich Gygi, VR-Präsident der SBB, weilte kürzlich im Bahn-Land Japan. Dem Berner ist aufgefallen, dass die Japaner mit wenig Gepäck reisen.

Ulrich Gygi, VR-Präsident der SBB, weilte kürzlich im Bahn-Land Japan. Dem Berner ist aufgefallen, dass die Japaner mit wenig Gepäck reisen.

Wer in vollen Zügen sein Gepäck auf einen Sitz stellt, muss künftig ein Billet zahlen. Diese von 20 Minuten Online publik gemachte Neuerung hat in der vergangenen Woche für viel Wirbel gesorgt. Es ist der Eindruck entstanden, dass die SBB ihre Kunden erziehen wollen. «Das ist überspitzt und missverständlich rübergekommen. Wir haben ja nur im Interesse der Kunden eine bestehende Ordnung in Erinnerung gerufen. Aber ja, das ist nicht optimal gelaufen», gibt sich SBB-VR-Präsident Ulrich Gygi in einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» selbstkritisch.

Zusammen mit der SBB-Spitze reiste der oberste Bähnler kürzlich nach Japan, dem Land mit dem wohl modernsten Bahnsystem der Welt. «Dort gilt es als unanständig, wenn man mehr als seinen Sitz belegt, auch wenn der Zug halb leer ist», erklärt Gygi. Die Japaner hätten weniger Gepäck bei sich und beanspruchten auch viel weniger Platz. «Die Schweizer hingegen sind sich gewohnt, sich auszubreiten, damit möglichst niemand den Nebensitz beansprucht.» Damit soll nun Schluss sein: «In den Stosszeiten sollen unsere Kunden vermehrt darauf achten, dass sie die Sitze für andere Reisende freigeben», so Gygi.

Der oberste Bähnler zeigt sich nicht nur von der Ordnung und Sauberkeit in den Zügen der Japan Rail beeindruckt, sondern auch von den Einkaufszentren bei den Stationen: «Dort werden die Bahnhöfe so gestaltet, dass die Leute gerne dorthin gehen und verweilen», sagt Gygi im «St. Galler Tagblatt» weiter. Hier gebe es in der Schweiz Nachholbedarf. «Mehr Verkaufsflächen allein in den Bahnhöfen reicht den Leuten nicht. Es muss ihnen auch wohl sein.»

SBB beschleunigen erst 2050

In Japan rasen die Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszüge mit über 300 km/h von Stadtzentrum zu Stadtzentrum. Davon können die Schweizer Bahnkunden weiterhin nur träumen. Warum sind höhere Geschwindigkeiten beim weiteren Bahnausbau kein Thema? Die SBB setze zunächst weiter auf den Ausbau der Sitzplatzkapazität, weil die Sitze bereits heute knapper würden und die Distanzen in der Schweiz relativ klein seien. «Beim weiteren Ausbau denkt man aber durchaus an Fahrzeitverkürzungen. Die Fahrzeit für die Strecke Bern-Zürich soll von heute unter einer Stunde auf unter 45 Minuten sinken. Das geschieht aber vermutlich erst um 2050», so Gygi.

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