Mit der SIP Zürich auf Patrouille: «Die kalten Nächte sind hart für die Obdachlosen»

Aktualisiert

Mit der SIP Zürich auf Patrouille«Die kalten Nächte sind hart für die Obdachlosen»

Obdachlose trifft die Kältewelle, die derzeit die Schweiz im Griff hat, besonders hart. Die sip züri versucht, diesen Menschen mit Patrouillen zu helfen. 20 Minuten hat eine begleitet.

von
Jennifer Furer

20 Minuten ist mit der Kältepatrouille der SIP Zürich unterwegs. (Video: jen)

Es ist ein bitterkalter Montagabend in Zürich. Minus 10 Grad zeigt das Thermometer an. Durch die eisige Bise sind die Temperaturen noch unerträglicher. Während sich einige zu Hause in kuschelige Decken hüllen, machen sich Mitarbeiter von Sicherheit, Intervention und Prävention (sip) auf den Weg, um Menschen zu helfen, die der frostigen Kälte ausgesetzt sind und die Nacht teilweise draussen verbringen.

Die Kältepatrouille trifft sich um 21 Uhr an der Selnaustrasse in Zürich. Heute haben Clodomira D.* und Julia M.* Dienst. Sie werden in den kommenden Stunden Obdachlose aufsuchen, mit ihnen sprechen und ihnen Hilfe anbieten, damit sie einen warmen Schlafplatz finden. «Die kalten Nächte sind für die Obdachlosen sehr hart», sagt D. Das Schlimmste sei, wenn jemand erfriert, weil er zu wenig gut ausgerüstet war. Um dies zu verhindern, setzen sich die Mitarbeiter der sip ein und begeben sich jede Nacht, wenn es unter null Grad ist, auf Kältepatrouille.

Mit offenen Latschen gesichtet

«Wir müssen unbedingt zuerst zu W.* Ich mache mir Sorgen um ihn», sagt D. Der Mann, der seit über zehn Jahren auf der Strasse lebt, sei tagsüber gesehen worden, wie er nur mit offenen Latschen herumlief. Den sip-Arbeitern ist W. bestens bekannt, man weiss auch, wo er seine Schlafstelle hat. Doch vor Ort angekommen, fehlt von ihm jede Spur.

D. ruft in einer Herberge an, wo W. ab und zu übernachtet. Auch dort ist er nicht. Die Mitarbeiter der sip können für heute nicht mehr viel machen. Denn W. könnte überall sein. Bereits während dieses Einsatzes klingelt das Handy von D. Besorgte Leute melden, dass sich ein Mann im Wald aufhält und Feuer macht. Ohne zu zögern fahren D. und M. dorthin.

«Ich habe warm genug»

In einer Hütte treffen sie einen Italiener mittleren Alters. Auch ihn kennen die sip-Mitarbeiter bestens. Er streift seit rund sieben Jahren in den Wäldern von Zürich umher und schläft jede Nacht dort. Der Mann, der nur Italienisch spricht, freut sich sichtlich über den Besuch der sip. «Ich habe warm genug», sagt er zu D. Zu ihr hat er einen besonders guten Draht. Die beiden plaudern und lachen. Eine Notschlafstelle möchte der Italiener nicht aufsuchen. Er geniesse die frische Luft, das helfe ihm auch gegen sein Asthma, sagt der Mann zu D.

Die sip-Mitarbeiter verabschieden sich von ihm. Sie können den Mann nicht zwingen, in einem warmen Raum zu schlafen. Aber sie können den Kontakt zu ihm aufrechterhalten und ihm Möglichkeiten aufzeigen. «Entweder nehmen sie die Angebote an oder nicht», sagt M. Nur in Fällen, in denen die sip-Leute eine Selbst- oder Fremdgefährdung sehen, können sie einen Arzt, die Polizei oder sonstige externe Fachleute beiziehen, die im Notfall eine fürsorgerische Unterbringung anordnen.

«Diese Menschen haben auch ein Recht auf schlechte Laune»

In der kalten Nacht ist die sip-Patrouille sehr gefragt. Immer wieder klingelt ihr Handy. Es melden sich etwa Leute, die sich Sorgen um Obdachlose machen, die sie in der Kälte auf der Strasse schlafen gesehen haben. D. und M. beschliessen, in den Kreis 1 zu fahren.

Dort angekommen, treffen sie einen Obdachlosen, der gerade am Brunnen Wasser trinkt. Er zeigt aber keinerlei Interesse daran, mit den beiden Frauen zu sprechen. «Das ist okay. Diese Menschen haben auch das Recht, schlechte Laune zu haben. Für uns ist es wichtig zu sehen, dass es ihnen gut geht und sie gut zu Fuss unterwegs sind», sagt D.

«Die kalten Nächte beschäftigen uns sehr»

Wenige hundert Meter weiter schläft ein Mann in einem Schlafsack vor einem Geschäft. Den sip-Mitarbeitern ist er wenig bekannt. Der Mann, der aus Polen stammt, schläft erst seit ein paar Wochen in Zürich. D. und M. gehen auf ihn zu und sprechen ihn an. Der Mann wacht auf und murmelt, dass es ihm gut geht. «Für heute lassen wir ihn schlafen. Wenn wir jetzt ein langes Beratungsgespräch führen, hat er nachher wieder Mühe einzuschlafen; die kalte Nacht wäre umso härter für ihn», sagt M. Die beiden nehmen sich aber vor, den Mann am nächsten Tag am frühen Abend aufzusuchen und mit ihm ein ausführliches Gespräch zu führen.

Für D. und M. wird es Zeit für einen aufwärmenden Tee. Sie gehen zurück zur Einsatzzentrale. Die Nacht geht für die beiden noch weiter. «In Zürich gibt es noch ganz viel Schlafplätze, die wir besuchen müssen», sagt M. Auch in den nächsten Nächten, in denen die Temperatur unter die Nullgrenze fällt, steht noch viel Arbeit für die sip züri an. «Es beschäftigt uns natürlich sehr; ich denke, es wird in nächster Zeit nicht abnehmen», sagt M., während sie wieder ihre Sachen packt und sich aufmacht, um den Obdachlosen in Zürich zu helfen.

*Namen der Redaktion bekannt

Aufgaben der sip zürich

Die sip zürich hilft allen Leuten im öffentlichen Raum, die in Not sind. Sie kombiniert aufsuchende Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Aufgaben. Die sip hat keine polizeilichen Kompetenzen, sondern vermittelt und schafft Vertrauen durch Kommunikation und auf psychologischer Ebene.

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