Festsitzende Kurden«Die Kinder verstehen es nicht und weinen viel»
Im Transitbereich des Flughafens Zürich sitzen seit mehreren Wochen kurdische Asylbewerber fest. Wie sieht deren Alltag aus?
- von
- sul
Asylbewerber Dogan Yildrim spricht über die Situation der Kurden im Zürcher Flughafen.
«Es ist so furchtbar langweilig hier», sagt Dogan Yildrim. Der 27-jährige Kurde sitzt abgekämpft im Transitbereich des Flughafens Zürich, sein Blick ist müde. Seit 24 Tagen lebt er in der hier von der Asylorganisation Zürich (AOZ) betriebenen Asylunterkunft, zusammen mit 19 anderen Kurden. Einige stecken schon über 50 Tage im Transit fest. Ausser zur Gruppe habe man hier zu niemandem Kontakt, sagt Yildrim. «Wir sehen nur die Passagiere kommen und gehen.»
«Wie im Gefängnis»
Zu den Zimmern der Unterkunft hat 20 Minuten keinen Zutritt. Laut Yildrim herrschen jedoch enge Platzverhältnisse: «Alle Männer schlafen in einem Raum, alle Frauen und Kinder in einem anderen.» Aktuell müsse er sich sein Zimmer mit weiteren 13 Asylsuchenden teilen. Es habe keine Fenster, durch die frische Luft hineinströme. «Wir fühlen uns wie in einem Gefängnis. Wir sind nicht frei.»
Neben den Schlafzimmern gibt es einen Aufenthaltsraum, in dem die Flüchtlinge ihre Mahlzeiten einnehmen, sich unterhalten und fernsehen können. Der Fernseher bleibe die meiste Zeit aber aus, sagt Yildrim: «Es ist so lärmig dort drin, dass man ohnehin nichts versteht.» Lieber als in den Räumen halte er sich im öffentlichen Wartebereich auf, wo er immerhin genügend Platz habe und ein wenig umherlaufen könne.
Laut Yildrim erhalten die Asylsuchenden pro Woche 21 Franken Verpflegungsgeld. Das Geld gebe er in den Shops für Essen und Trinken aus. «Viel kann man sich davon allerdings nicht kaufen», merkt er an.
«Keine Zukunft in der Türkei»
Für die Kinder unter den Asylsuchenden sei die Situation besonders belastend. «Sie haben psychische Probleme», sagt Yildrim. Zu herzzerreissenden Szenen komme es jeweils, wenn Polizisten mit ihrem Badge den Transitbereich verlassen. «Die Kinder rennen dann zum Ausgang und halten statt einer Karte ihr T-Shirts an das Lesegerät», erzählt er. «Sie verstehen nicht, warum man sie hier nicht rauslässt, und weinen viel.»
Der Informatiker Yildrim verliess die Türkei aus politischen Gründen. Die Regierung habe ihm vorgeworfen, mit seiner Masterarbeit die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen, wie er erzählt. Mit dem Flugzeug reiste er via Brasilien in die Schweiz, die Mehrheit der kurdischen Asylbewerber reiste über Südafrika ein. Die Vorstellung, in diese Länder zurückkehren zu müssen, erfüllt die Gruppe mit Unbehagen. «Brasilien und Südafrika sind keine sicheren Drittstaaten», ist Yildrim überzeugt.
Am meisten fürchten sich die Kurden aber vor der Rückweisung in die Türkei. Yildrim: «Dort kommen wir ins Gefängnis oder werden getötet. In der Türkei haben wir keine Zukunft.»
Das SEM wehrt sich gegen die Anschuldigungen
«Es stimmt nicht, dass alle Männer in einem und alle Frauen und Kinder in einem anderen Zimmer schlafen», sagt Daniel Bach, Sprecher des Staatssekretariats für Migration. Er sei gestern während zwei Stunden in der Asylunterkunft am Flughafen gewesen, um sich ein Bild zu machen. Es gebe drei Schlafräume: Ein Männerzimmer mit 32 Betten, ein Frauenzimmer mit 16 Betten und ein Familienzimmer mit 10 Betten. «Das Familienzimmer verfügt auch über ein grosses Fenster.»
Darüber hinaus gebe es sanitärische Anlagen (Dusche/WC, nach Geschlechtern getrennt), einen Aufenthaltsraum/Speisesaal mit TV, eine Küche, ein Spielzimmer für Kinder, ein Nähatelier für die Freizeitbeschäftigung sowie ein Büro, in dem auch die Sprechstunden der Pflegefachperson stattfänden. Ausserhalb (grad nebendran) stehe ein weiterer Aufenthaltsraum mit Töggelikasten und anderen Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Weiter schreibt das SEM: «Asylsuchende am Flughafen Zürich haben die Möglichkeit, an die frische Luft zu gehen, und können sich im Transitbereich frei bewegen.» So sei zum Beispiel via Skymetro-Bahn der Zutritt zum Dock E möglich. «Dort hat es Kioske, verschiedene Läden, Gastronomieangebote und Zutritt zur Freiluft-Passagierterrasse.» Die Türe zur Unterkunft sei nie abgeschlossen, die Asylsuchenden könnten jederzeit raus. Bach: «Von Zuständen wie in einem Gefängnis kann keine Rede sein.»