Jokertage und Turnschuhe: Die «Kuschel-RS» ist bei Rekruten ein Erfolg

Aktualisiert

Jokertage und TurnschuheDie «Kuschel-RS» ist bei Rekruten ein Erfolg

Mit Erleichterungen im Dienst will die Armee die Zahl der Abgänge reduzieren. In der ersten Rekrutenschule unter dem Modell zeigen die Massnahmen Wirkung.

von
P. Michel
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Eine Anpassung der Rekrutenschule betrifft die Essenspause: Dafür haben die Rekruten nun mehr Zeit.

Eine Anpassung der Rekrutenschule betrifft die Essenspause: Dafür haben die Rekruten nun mehr Zeit.

Keystone/Gaetan Bally
Ebenfalls wird auch ein Fokus auf die «menschenorientierte Führung» gelegt. Das heisst: Weniger Drill, dafür mehr «Sinnvermittlung» der Aufgaben.

Ebenfalls wird auch ein Fokus auf die «menschenorientierte Führung» gelegt. Das heisst: Weniger Drill, dafür mehr «Sinnvermittlung» der Aufgaben.

Keystone/Christian Beutler
Die Rekruten haben nun auch die Möglichkeit, in den ersten Wochen der Rekrutenschule auf ziviles Schuhwerk wie Turnschuhe auszuweichen

Die Rekruten haben nun auch die Möglichkeit, in den ersten Wochen der Rekrutenschule auf ziviles Schuhwerk wie Turnschuhe auszuweichen

Keystone/Martin Ruetschi

Turnschuhe auf dem Marsch, Ausgang ab der ersten Woche und mindestens sechs Stunden Schlaf: Die Armee hat auf Anfang Jahr Massnahmen ergriffen, um die Armee attraktiver zu machen und die Zahl der Abgänge zu reduzieren (siehe Bildstrecke).

Jetzt zeigen Daten, die 20 Minuten vorliegen: Das als «Kuschel-RS» kritisierte Paket zeigt Wirkung. Die Zahl der Abgänge aus der ersten Rekrutenschule des Jahres 2018 fielen tiefer aus als im Vorjahr. Damals verabschiedeten sich 15 Prozent der 16'615 eingerückten Rekruten aus der Ausbildung, im neuen Modell waren es zwölf Prozent der bisher eingerückten 10'763 angehenden Soldaten.

«Erste positive Wirkungen»

Aufgrund der Weiterentwicklung der Armee hat sich die Grösse der Rekrutenschulen erhöht. Deshalb sei beim Vergleich der Zahlen Vorsicht geboten, sagt Delphine Allemand, Sprecherin des Verteidigungsdepartements. Trotzdem spricht sie von «ersten positiven Wirkungen».

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«Es geht darum, die Rekruten während den ersten Wochen der Rekrutenschule zielgerichtet auf die kommenden Belastungen vorzubereiten und diese schrittweise zu erhöhen», so Allemand. Damit würden die medizinische Abgänge aufgrund von Überbelastungen reduziert. «Die Rate der medizinisch Entlassenen konnte in den Rekrutenschulen so bereits reduziert werden.»

Für SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf zeigen die Resultate, dass die Armee auf dem richtigen Weg ist, um sich bei den Jungen wieder attraktiver zu positionieren. «Das Ziel muss sein, die Jungen, die Dienst leisten wollen, dafür zu motivieren, statt die Hürden für den Zivildienst zu erhöhen.» Mit der Anpassung trage man den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung: «Einige Junge sind heute oft weniger fit, darauf muss sich die Armee einstellen.» Zudem seien die Zeiten, als es darum ging, im Militär den «harten Siech» zu geben, vorbei. Von einer «Kuschel-RS» könne trotzdem keine Rede sein, sagt Seiler Graf: «Die Jugendlichen wollen von sich aus ihre Grenzen austesten und werden dies auch weiterhin tun.»

Sogar SVP-Politiker begrüssen die Massnahmen

Schützenhilfe erhält Seiler Graf von rechts: Auch SVP-Haudegen Adrian Amstutz, der jüngst Zivildienstleistende als «traurige Weicheier» und «Schutzdienstverweigerer» bezeichnet hatte, begrüsst die Massnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Armee. Mit Blick auf die «progressive Gestaltung der körperlichen Belastungen im Dienst», wozu etwa die Reduktion der zu Fuss zurückgelegten Distanzen in den ersten vier RS-Wochen gehört, sagt er: «Ein zielgerichteter Trainingsaufbau hat nichts mit weich zu tun, sondern wie im Sport mit besserer Zielerreichung.» Einen kontinuierlichen Aufbau des Körpers und der Psyche brauche es, um letztlich die notwendigen militärischen Anforderungen erfüllen zu können.

Verkommt die RS zum Pfadilager?

Keine Freude an der «Pfadilager-Stimmung» in der Rekrutenschule hatte bei Lancierung der Anpassungen die Gruppe Giardino, die sich für eine «starke Milizarmee» einsetzt. Deren Präsident Willi Vollenweider erklärte, die Armee verkomme zu einem «Pfadilager». Auf Anfrage sagt Sprecher Markus Müller nun, es sei zwar zu begrüssen, dass sich durch die Massnahmen die Abgänge aus der RS reduzierten. Problematisch sei aber, was für ein Signal die Armee mit den Erleichterungen an die Jugend sende. «Dass Begriffe wie Kuschel-RS im Umlauf sind, ist für den Ruf der Armee nicht förderlich.» Ob die Massnahmen tatsächlich nachhaltig Wirkung zeigten, müsse man in ein bis zwei Jahren beurteilen.

Mitarbeit: D. Waldmeier

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