«Time-out»: Die langsamsten Davoser der Neuzeit

Aktualisiert

«Time-out»Die langsamsten Davoser der Neuzeit

Das Team Canada steht im Finale gegen St. Petersburg. Die Kanadier besiegten den HCD 4:0. Weil die Davoser so langsam waren wie noch nie im 21. Jahrhundert.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg
Der Davoser Motor stotterte im Halbfinal gegen das Team Canada.

Der Davoser Motor stotterte im Halbfinal gegen das Team Canada.

Also doch: Die Kanadier haben sich im Vergleich zum Viertelfinale gegen Sparta Prag (4:3 n.V.) wie erwartet um hundert Prozent gesteigert. Sie haben sich, wie schon so oft, zusammengerauft, sie sind in den vier Spielen in vier Tagen nicht müde geworden, sondern als Team zusammengewachsen, und sie haben eine bemerkenswerte taktische Stabilität erreicht. Wir haben auch in diesem Halbfinale kein grosses Team Canada gesehen – aber immerhin waren es nun nicht mehr die weichsten Kanadier aller Zeiten wie in den ersten drei Partien des Turniers.

Bringen wir es auf den Punkt: Die Kanadier haben gegen die langsamsten Davoser des 21. Jahrhunderts gewonnen. Eine uralte Eishockeyweisheit sagt: «Speed kills». Will heissen: Tempo ist immer besser als Muskelkraft und Härte. Arno Del Curto hat den HC Davos zur schnellsten Schweizer Mannschaft gemacht. Gegen einen «Vollgas-HCD» hätten die Kanadier mit ziemlicher Sicherheit erneut keine Chance gehabt. Aber die Davoser sind nicht in Schwung gekommen. Wir haben in diesem Halbfinale nur einen «Standgas-HCD» gesehen.

Schlaue kanadische Defensive

Warum? Der wichtigste Grund ist die schlaue Defensivtaktik der Kanadier. Sie haben es mit einer taktischen Meisterleistung verstanden, die Schweizer an der Entfaltung ihres Tempospektakels zu hindern, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen, das Aufkommen von Emotionen auf dem Eis und auf den Rängen zu verhindern und den Davosern dieses taktische Schachspiel aufzuzwingen. Hinter dieser gut organisierten Abwehr ist sogar der vermeintliche Lottergoalie Jeff Deslauriers zu einem unüberwindlichen Bollwerk geworden. Wir haben einen schleppenden Offensivwalzer statt eine lüpfige Ländler-Offensive gesehen.

Fehlende Härte kann mit guter Spielorganisation und taktischer Disziplin kompensiert werden – die Kanadier haben es in diesem Halbfinale eindrücklich bewiesen. Aber zu Tempospiel gibt es keine Alternative – ohne Tempo sind die Davoser wirkungslos wie ein Formel 1-Bolide ohne Sprit.

Team Canada als Vorbild

Die Kanadier haben den NLA-Teams vorgemacht, wie es möglich ist, das HCD-Tempospiel abzubremsen – das Video dieses Halbfinals müsste eigentlich zum Lehrmittel, zur taktischen Gebrauchsanweisung für alle NLA-Coaches werden.

Mit dieser Taktik haben die Kanadier auch im Finale gegen St. Petersburg eine Chance. Das Endspiel wird wieder einmal eine klassische Auseinandersetzung zwischen der nordamerikanischen und russischen Hockeykultur: Die Kanadier mit Schlauheit, Kampfgeist und einem unerschütterlichen Selbstvertrauen gegen die läuferische und technische Überlegenheit der russischen Offensivkünstler.

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