FCA in SchieflageDeshalb wirft der Präsident des FC Aarau hin
Eine verkorkste Saison beim FC Aarau erreichte mit den Fan-Krawallen vom vergangenen Samstag ihren neuen Tiefpunkt. Präsident Philipp Bonorand kündigte drei Tage später seinen Rücktritt an.
- von
- Silvan Haenni
Frustrierte Aarau-Fans stellen nach Last-Minute-Pleite die Spieler zur Rede.
Darum gehts
Knall beim FC Aarau: Präsident Philipp Bonorand tritt per Ende Saison zurück.
Die Fan-Ausschreitungen am Samstag hätten das Fass zum Überlaufen gebracht.
20 Minuten hat den 42-Jährigen gefragt, was denn in Aarau genau schiefläuft.
Im Brügglifeld riechts nach Zerfall: Mit Philipp Bonorand verliert der FC Aarau denjenigen Präsidenten, der als regionale Identifikationsfigur den Club zurück ins Oberhaus hätte bringen sollen. Seinen Rücktritt kündigte der 42-Jährige am Dienstag an, gut drei Tage nach den Fan-Ausschreitungen, die nur er – als ehemaliges Mitglied der Aarauer Fan-Szene – hat in den Griff kriegen können. Es sei «der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte», sagt der Tierfutter-Produzent gegenüber 20 Minuten. Er sei weder happy noch erholt – immerhin aber irgendwie erleichtert.
Doch der Reihe nach: Bonorand übernahm das Zepter 2019, machte Co-Trainer Stephan Keller (43) zum Chef und stellte mit Ex-Spieler Sandro Burki (37) als Sportchef einen nachhaltigen Plan auf. Monate nach dem Barrage-Horror gegen Xamax, als man trotz 4:0-Hinspielsieg noch den Aufstieg verpasste, sollte mit Ruhe und vielen Eigengewächsen die Rückkehr in die Super League aufgegleist werden. Lange war der Verein auf gutem Weg – bis letzten Sommer, als man wegen eines einzigen Tores letztlich nicht aufstieg.
«Keller-Entlassung war nicht richtig»
Die junge Truppe um Donat Rrudhani (zu YB), Kevin Spadanuda (zu Ajacco) oder Randy Schneider (zu St. Gallen) wurde auseinandergerissen. Eine schnelle Lösung musste her, die Lift-Saison stand an: Anstatt eines direkten Aufsteigers und eines Barrage-Platzes steigen im Sommer 2023 potenziell drei Vereine auf. Für eine neue Mannschaft wurde Geld ausgegeben. «Entgegen unserer Strategie haben wir viel gemacht, das am Ende nichts brachte», räumt Bonorand selbst ein. Mit dem zusätzlichen Aufstiegsplatz sei der Druck gestiegen. «Die Leute fordern ein Hau-Ruck, das gefährlich sein kann». Der Beginn des Zerfalls.
Sportlich lief es in der so wichtigen Saison gar nicht. Im Herbst stellte sich die Mannschaft öffentlich gegen Trainer Keller, seine Entlassung war die Folge. Boris Smiljanic (46) übernahm. «Ich den aufgrund der Ausgangslage notwendigen schritt persönlich nicht richtig gefunden», stellt Bonorand klar. Und sportlich sei es ja genau gleich weitergegangen. Im Februar der nächste Knall: Geschäftsführer Roland Baumgartner musste sofort gehen, wobei auf Miliz-Präsident Bonorand noch mehr Aufgaben zukamen. «Das Amt gratis und mit einem riesigen Aufwand wahrzunehmen und daneben eine Unternehmung mit 100 Angestellten zu führen», so Bonorand, «ging an die Substanz.»
Die Eskalation am Samstag
Der Rücktritt sei demnach kein Kurzschlussentscheid gewesen. Dennoch spitzte sich die Lage immer mehr zu – und eskalierte am vergangenen Samstag: Das Team verspielte in der Nachspielzeit die 2:1-Führung gegen Lausanne-Ouchy, verlor am Ende gar noch. Einige Ultras verloren die Nerven, stellten auf dem Platz die Spieler zur Rede und versuchten, ins Stadioninnere zu gelangen. Pragmatiker Bonorand nutzte seine historische Nähe zu den Fans und verhandelte: Der Anführer der Szene Aarau durfte in der Garderobe zu den Spielern sprechen, dafür würden die anderen Ultras friedlich abziehen.
Der Deal rettete vor Schlimmerem, dennoch hagelte es Kritik. Bonorand: «Ich hatte es geschafft, die Situation ohne Verletzte und ohne weitere Sachbeschädigungen zu beruhigen.» Dafür, dass er danach in diversen E-Mails angefeindet worden sei, fehle ihm das Verständnis. Der Ton sei mit dem sportlichen Misserfolg, der mit dem aktuellen Tabellenrang 6 ein tristes Bild nach sich zieht, immer rauer geworden. «Zwischen der riesigen Erwartungshaltung der Aarauer und der Realität klafft eine immense Lücke», erklärt er.
Ohne ausserordentliches Engagement einzelner Personen, so Bonorand, müsse man die Ansprüche langfristig anpassen. Er selbst werde künftig nicht mehr eine jener Personen sein. Der Aufwand, der Umgang und die jüngsten Ereignisse liessen das nicht mehr zu. Allgemein sollte man sich überlegen, künftig auf das Modell eines vollamtlich angestellten Präsidenten zu setzen, der auch gleich als Geschäftsführer fungiert. Bonorand: «Ich freue mich darauf, wieder einmal mit einem Bier in der Hand auf der Tribüne zu stehen.» Nicht als Präsident, und nicht als Geschäftsführer.
Dein tägliches Sport-Update
Erhalte täglich brandaktuelle News aus der Welt des Sports. Ob Interviews, Porträts, Spielberichte oder Analysen: Unsere Reporter informieren dich direkt in deinem Postfach.