Erdbeben Türkei: «Menschen fühlen sich im Stich gelassen»

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Südtürkei«Die Menschen sind auf sich alleine gestellt, es geht um Leben und Tod»

Laut der Basler Politikerin Edibe Gölgeli sind Tausende Menschen im Süden der Türkei nach wie vor ohne Hilfe. «Sie frieren, haben kein Wasser und keinen Strom und fühlen sich im Stich gelassen.»

von
Daniel Graf

In mehreren Dörfern im Süden der Türkei ist scheinbar noch keine Hilfe angekommen. Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen.

20min/privat 

Darum gehts

  • Die Rettungsarbeiten in der Türkei laufen nach den verheerenden Erdbeben auf Hochtouren. 

  • Laut der Basler SP-Politikerin Edibe Gülgeli gibt es aber immer noch Dutzende Dörfer, die keine Hilfe erhalten haben. Auch 20 Minuten erreichen viele Nachrichten. 

  • 50’000 bis 100’000 Menschen im Süden der Türkei sind laut Gölgeli auf sich allein gestellt. 

  • «Sie brauchen Wasser, Essen und Medikamente. Jemand muss diesen Menschen helfen», appelliert Gölgeli. 

Die Bilder und Videos, die die Basler SP-Politikerin Edibe Gölgeli gerade fast im Minutentakt erreichen, kommen aus kleinen Dörfern in der südtürkischen Provinz Kahramanmaraş, rund 25 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Sie ähneln den Bildern aus den am schwersten von den Erdbeben betroffenen Gebieten. Der einzige Unterschied: Weit und breit sind keine Rettungskräfte zu sehen.

Auch 20 Minuten erreichen diverse Nachrichten von Menschen in der Schweiz mit Angehörigen in dieser Region. Die Provinz wird vor allem von Minderheiten wie Kurden und Aleviten bewohnt.  «Wir erhalten hier keine Hilfe», schreiben viele. Die Menschen hoffen, dass die ausbleibenden Hilfslieferungen nicht politisch motiviert sind. 

«In dieser Region leben 50’000 bis 100’000 Menschen verteilt auf Dutzende kleine Dörfer», sagt Gölgeli. Die Situation sei katastrophal: «Menschen liegen unter den Trümmern, doch es fehlt das Gerät, um sie zu bergen. Auch denjenigen, die nicht unter den Trümmern liegen, fehlt es an allem. Sie haben kein Wasser, kein Essen, keinen Strom und keine Medikamente.»

«Wissen nicht, wie lange diese Babys noch überleben»

Ein Arzt berichtet in einem Video aus der Stadt Hatay und schildert die Probleme: «Wir sind seit sechs Uhr auf einer Wiese vor dem Krankenhaus, wo Zelte für die Menschen stehen. Es hat zwar medizinisches Personal hier, Ärzte und Pflegefachkräfte aus der ganzen Türkei sind zu Hilfe geeilt. Doch wir haben kein Wasser, es fehlen Lebensmittel und Medikamente wie Antibiotika. Auch Treibstoff fehlt sowie mobile Toiletten. Das sind die Dinge, die wir brauchen.»

Für viele Menschen in der Region ist es laut Gölgeli eine Frage der Zeit, ob sie überleben. «Wir sprechen hier teilweise von wenige Monate alten Babys. Wir wissen nicht, ob sie noch einen oder drei Tage überleben können. Irgendjemand muss diesen Menschen helfen», sagt Gölgeli, die die Situation hörbar mitnimmt. «Mit meiner Mutter kann ich derzeit gar nicht sprechen, sie zerbricht fast an dem, was in der Südtürkei gerade vor sich geht.»

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In Dörfern in der Südtürkei wurden durch die Erdbeben viele Gebäude zerstört. «Die Menschen haben kein Wasser, keinen Strom und kein Essen. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange sie noch überleben», sagt die Basler SP-Politikerin Edibe Gölgeli. 

In Dörfern in der Südtürkei wurden durch die Erdbeben viele Gebäude zerstört. «Die Menschen haben kein Wasser, keinen Strom und kein Essen. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange sie noch überleben», sagt die Basler SP-Politikerin Edibe Gölgeli. 

privat 
Die Menschen vor Ort fühlen sich im Stich gelassen, weil noch keine Hilfe eingetroffen sei. 

Die Menschen vor Ort fühlen sich im Stich gelassen, weil noch keine Hilfe eingetroffen sei. 

privat 
Erschwerend hinzu kämen der Schnee und die kalten Temperaturen. 

Erschwerend hinzu kämen der Schnee und die kalten Temperaturen. 

privat 

Kritik an der Organisation wird online laut

Bei der in der Schweiz lebenden Bevölkerung sei eine riesige Solidarität und Betroffenheit zu spüren. «Viele, die hier leben, haben Verwandte oder Bekannte in der Türkei. Doch es ist ein Chaos, LKW aus anderen Ländern mit privaten Spenden sind an der Grenze abgewiesen worden.» Gölgeli und weitere seien nun mit Hochdruck dabei, einen privaten Verein zu gründen und ein Spendenkonto einzurichten.

Wieso genau die Dörfer noch keine Hilfe erreicht hat, ist laut Gölgeli schwierig zu sagen. «Klar ist, dass es sich um abgelegene und wirtschaftlich schwache Regionen handelt.» Die Rettungsarbeiten konzentrieren sich derzeit wohl auf andere Gebiete. In Online-Netzwerken in der Türkei verbreiten sich seit dem Beben am Montag massenhaft Nachrichten, in denen Menschen Mängel bei den Rettungsarbeiten und der Suche nach Verschütteten anprangern. Die Kritik bezieht sich vor allem auf die Lage in der an Syrien angrenzenden Provinz Hatay.

Auch die Schweiz ist mit einem 80-köpfigen Rettungsteam vor Ort. Auf Anfrage von 20 Minuten heisst es beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Die Schweizer Rettungskette ist vor Ort in die Einsatz-Koordination der türkischen Behörden eingebunden. Priorität haben die zerstörten Gebiete, in denen die grössten Chancen bestehen, Überlende zu finden.» 

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