Nach langem JahrDie Nati geht wohlgenährt in den Winterschlaf
Ein bewegendes Länderspieljahr endet mit dem perfekten Ausgang in Luzern. Die Nati geht 19 Wochen in den Winterschlaf und sollte besser nicht verschlafen.
- von
- E. Tedesco
Der Bär leckt sich die letzten Honigreste von der Schnauze, kann sich über den wohlgenährten Bauch streicheln und nach einem perfekten Herbst den langen Winterschlaf antreten. Vladimir Petkovic selbst hat letzte Woche dieses schöne Bild gezeichnet. Um dabei zu bleiben: Die Nati hat sich im letzten Spiel im Jahr 2016 gegen die Färöer Inseln den Bauch mit dem vierten Sieg im vierten Qualifikationsspiel vollgeschlagen.
Damit war zu Jahresbeginn nicht zu rechnen. Nein, das Länderspieljahr 2016 begann sogar alles andere als vielversprechend. Eine 0:1-Niederlage in Irland und eine 0:2-Pleite gegen Bosnien-Herzegowina in den März-Testspielen liessen Zweifel aufkommen. Zweifel an der Qualität der Mannschaft. Zweifel auch daran, ob Petkovic wirklich die Schweizer Spielkultur weiterentwickeln kann.
Wandlung im Sottoceneri
Nach dem missratenen Frühling passierte im Vorbereitungscamp in Lugano eine Wandlung. Petkovic schuf im Sottoceneri ein Wir-Gefühl im Team, dass das Fundament für einen Aufbruch bildete, der sechs Monate später in Luzern mit der Egalisierung einer Bestmarke aus der Saison 1970/71 (EM-Qualifikation) und zum ersten Mal mit vier Siegen in vier Partien in einer WM-Ausscheidung endete.
Der entstandene Team-Spirit liess die Mannschaft näher zusammenrücken, die Spieler verstanden nun die Ideen des Trainers und die Nati spielte eine gute – nicht herausragende – EM in Frankreich. Das Achtelfinal-Aus im Penaltyschiessen gegen Polen glich zwar einer Niederlage. Die Mannschaft steckte sie aber weg und nahm weiter Fahrt auf.
Viel in die Mannschaft investiert
Was folgte, war ein 2:0-Sieg zum Start in die WM-Qualifikation gegen Europameister Portugal. Das Highlight des Jahres. Mit neuem Selbstvertrauen wendete die Nati eine Niederlage in Ungarn ab und holte trotz müder Leistung in Andorra drei Punkte. «Diese Mannschaft», sagt Petkovic nicht ohne Stolz «hat Charakter». Für Vladimir Petkovic, davon kann man ausgehen, ist dies ein Ansporn, die Schlagzahl im neuen Jahr weiter zu erhöhen.
Petkovic selber hat sich im Verlauf des Jahres positiv verändert, ist selbstsicherer geworden, zugänglicher und gelöster. An der EM-Endrunde lief er in Hochform auf, legte – wie seine Mannschaft auch – von Spiel zu Spiel zu und demonstrierte Stärke. «Ich habe viel in mich persönlich und in die Mannschaft investiert», sagte er zu 20 Minuten. Eine Investition, die auch von den Fans wohlwollend registriert wird.
Bloss nicht verschlafen
Belohnt wurde auch der Mut des Nati-Trainers, was Veränderungen betrifft, und auch, konsequent auf Junge zu setzen. Denis Zakaria, Nico Elvedi, Edimilson Fernandes und auch Shani Tarashaj sind Talente, denen die Zukunft gehört und die den Kandidatenkreis verbreitert haben. Das Ende der Ära von Gökhan Inler bot gleichzeitig die Chance für einen Start in eine neue Ära. Wichtiger noch ist, dass Petkovic sein Gerüst der Mannschaft gefunden hat.
«Ich bin zufrieden, in welchen Zustand wir uns gebracht haben», sagt Petkovic. Er weiss aber auch, dass die Nati trotz den letzten Erfolgen in allen Bereichen besser werden muss, um weiter Fortschritte zu machen. Sein Wunsch: Die Spieler sollen über ihre Clubs Selbstvertrauen holen. «Das macht es einfacher», so Petkovic.
Vorerst kann die Nationalmannschaft aber wohlgenährt ihren Winterschlaf geniessen. Am 25. März 2017 geht es in Genf gegen Lettland weiter – den Start in die entscheidende Phase der WM-Qualifikation sollte «der Bär» aber nicht verschlafen.