Eingriff in die Privatsphäre: «Die Polizei muss mit neusten technischen Mitteln ermitteln können»

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Eingriff in die Privatsphäre«Die Polizei muss mit neusten technischen Mitteln ermitteln können»

Neue Instrumente für die Bekämpfung von Kriminalität gibt es. Für deren Einsatz fehlen noch die entsprechenden Gesetze. Jetzt sehen Entwürfe vor, etwa Autonummern und die Personen im Wagen automatisch optisch zu erfassen. Damit sind aber nicht alle einverstanden. 

von
Cheyenne Wyss
Vanessa Federli
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Neue Datenbearbeitungsinstrumente sollen die Arbeit der Luzerner Polizei effizienter gestalten. Für diese muss allerdings erst eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden. 

Neue Datenbearbeitungsinstrumente sollen die Arbeit der Luzerner Polizei effizienter gestalten. Für diese muss allerdings erst eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden. 

20Min/Gianni Walther
Mittels einer automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) sollen die Nummernschilder von vorbeifahrenden Fahrzeugen eingelesen und mit den Daten der Halterinnen und Halter abgeglichen werden. Werden Personen gesucht, würde eine automatische Warnung an die Polizei gehen.

Mittels einer automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) sollen die Nummernschilder von vorbeifahrenden Fahrzeugen eingelesen und mit den Daten der Halterinnen und Halter abgeglichen werden. Werden Personen gesucht, würde eine automatische Warnung an die Polizei gehen.

20Min/Leo Butie
Die Grünen äussern datenschutzrechtliche Bedenken an.

Die Grünen äussern datenschutzrechtliche Bedenken an.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

Im Gesetz über die Luzerner Polizei soll eine gesetzliche Grundlage für die automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung sowie für den Zugriff auf die Kameras des Bundesamtes für Strassen geschaffen werden. Dies teilte die Kommission für Justiz und Sicherheit Luzern (JSK) am Montag mit. Zudem möchte die Regierung die Anwendung von Analysesystemen bei Serienkriminalität und für den Datenaustausch für interkantonale Einsatzleitzentralen ermöglichen.

In den letzten Jahren wurden bereits verschiedene Instrumente zur Datenverarbeitung entwickelt, welche die Arbeit der Polizei effizienter machen sollen. Weil aber die benötigte gesetzliche Grundlage fehlt, können diese Instrumente von der Luzerner Polizei nicht eingesetzt werden. Mehrere Kantone und die Grenzwache setzen etwa die automatische Fahndung für Fahrzeuge und Verkehrsüberwachung (AFV) ein. Dieses System kann etwa Nummernschildern  von vorbeifahrenden Fahrzeugen einlesen und mit den Daten der Halterinnen und Halter abgleichen. Sind Fahrzeuge gestohlen oder sitzen gesuchte Kriminelle im Fahrzeug, wird die Polizei gewarnt, sodass diese die nötigen Massnahmen einleiten kann. Vorgesehen ist, dass die Daten aus der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung durch die Polizei während 100 Tagen benützt und bearbeitet werden darf. Voraussetzung wäre: Die Fahndung darf nur für die Verfolgung von schweren Verbrechen und Vergehen aufgenommen werden, die in einem Deliktskatalog aufgeführt sind.

«Es ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte»

Die Kommission für Justiz und Sicherheit stimmte den Gesetzesentwürfen mehrheitlich zu. Vorausgegangen waren laut Inge Lichtsteiner-Achermann, Präsidentin der Kommission, intensive Beratungen. Anwesend bei diesen Beratungen waren der Datenschutzbeauftragte, der Rechtsdienst des Justizdepartements und sämtliche Mitglieder der Kommission. 

Die Grünen sehen sich sehr kritisch gegenüber dem Gesetz. «Es ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte», sagt Laura Spring, Kantonsrätin Grüne Luzern. «Die Grundrechte, die so auch in unserer Verfassung verankert sind, schützen alle Bürgerinnen und Bürger vor dem übergriffigen Staat. Für uns ist dies mit dem Einsatz der neuen Datenbearbeitungsinstrumente nicht gegeben», so Spring. Die Grünen sind der Meinung, dass eine automatische optische Erfassung der Autoinsassinnen und Autoinsassen nur bei schweren Verbrechen zulässig ist. Der Regierungsrat hat das viel zu einseitige Bedürfnis der Polizei bevorteilt. So fordern die Grünen, dass die Daten nach 30 Tagen gelöscht werden und sofern kein Treffer bestehe, diese sogar sofort zu löschen sind. Darum haben die Grünen bei der Kommission einen Rückweisungsantrag zur Überarbeitung des Gesetzes eingereicht. 

Ähnlich wie die Grünen äussert auch der Datenschutzbeauftragte des Kantons Luzern ähnliche Bedenken. «Die Bearbeitung von personenbezogenen Daten ist immer ein Eingriff in die Grundrechte und zwar in den Schutz der Privatsphäre und den Persönlichkeitsschutz», sagt Matthias R. Schönbächler, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern. Seitens des Datenschutzbeauftragten müssen Grundrechtseingriffe erforderlich und verhältnismässig sein: «Der Eingriff in das Grundrecht muss auf das Ausmass des Delikts abgestimmt sein», sagt der Datenschutzbeauftragte weiter. Bei der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) sei die Datenbearbeitung zu wenig konkret und die Speicherung nicht benötigter Personendaten unverhältnismässig oder zumindest unverhältnismässig lange. «Es ist unklar, was man mit der AFV verfolgen, respektive aufklären will», moniert Schönbächler. Denn der herangezogene Deliktskatalog ist noch viel zu abstrakt. Weiter würde die Luzerner Polizei mit der AFV jedes Fahrzeug filmen, obwohl die meisten der Aufgezeichneten, gar kein Delikt begangen hätten. Schönbächler: «Der Gesetzesentwurf ist noch zu wenig ausgereift und nicht datenschutzkonform.»

Bei der FDP ist man anderer Meinung: «Die Eingriffe in die Grundrechte und den Datenschutz sind verhältnismässig. Die Polizei muss mit neusten technischen Mitteln zielgerichtet Ermittlungen tätigen können, um bei schwerwiegenden Delikten die Täterschaft zu ermitteln», sagt FDP-Kantonsrat Patrick Hauser. Der Kantonsrat wird voraussichtlich in der September-Session die Anpassungen des kantonalen Polizeigesetzes beraten.

Soll die Polizei mit neuen technischen Mitteln arbeiten? 

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