Serviceanlage Herdern«Die SBB-Teamchefs behandeln mich wie einen Sklaven»
Cleaning-Mitarbeitende der SBB-Serviceanlage Herdern in Zürich berichten laut dem SEV von Beleidigungen, von Mobbing und Rassismus. Wer reklamiere, werde vor die Tür gesetzt, sagt eine Reinigungskraft.
Darum gehts
In der Serviceanlage Herdern herrsche laut einem Bericht in der SEV-Zeitung ein «unhaltbares Arbeitsklima».
So gehörten Beleidigungen und Mobbing zum Alltag, Mitarbeitende werden kontrolliert und bespitzelt.
Trotz einer internen SBB-Untersuchung am Anfang des Jahres habe sich die Situation nicht gebessert, sagt SEV-Gewerkschaftssekretärin Sheila Belometti.
Eine Reinigungskraft bestätigt die Aussagen: «Wir temporären Mitarbeitenden dürfen uns nicht wehren, ansonsten werfen sie uns sofort raus.»
Rassismus, Mobbing, Beleidigungen und Kündigungsdrohungen: In der SBB-Serviceanlage Herdern in Zürich Altstetten herrscht ein «untragbares Arbeitsklima». Dies berichtet der SEV, die Gewerkschaft des Verkehrspersonals, in der neuesten Ausgabe der SEV-Zeitung. «Mitarbeitende des Reinigungsteams erzählten uns, dass ein Teamleiter Fotos als Beweis verlangte, dass das Reinigungspersonal am Arbeiten waren», sagt SEV-Gewerkschaftssekretärin Sheila Belometti. «Oder, dass Teamleiter zur Kontrolle den Schrittzähler auf dem Natel überprüft hat.»
Wie eine weitere Reinigungskraft berichtete, versteckten sich Teamleiter auf dem Parkplatz, um zu kontrollieren, wer wann von der Arbeit wegfährt. Die Situation sei momentan «unmöglich», sagt Belometti. Eskaliert sei die Situation bereits im Oktober 2020, als die SBB drei Temporärangestellten wegen der Nichteinhaltung von Corona-Schutzmassnahmen kündigte. So hatten sie bei der Zugreinigung etwa keine Schutzbrillen getragen. «Wie sich herausstellte, hatten ihre Chefs ihnen die falschen Informationen weitergegeben.» Wöchentlich seien daraufhin mehrere Anrufe ähnlicher Natur beim SEV eingegangen, sagt Belometti.
Einschüchterung von Mitarbeitenden
Mitte Januar zog die SBB schliesslich die Reissleine und leitete eine interne Untersuchung ein. In einem Schreiben an die Mitarbeitenden, das 20 Minuten vorliegt, teilte die Bundesbahn im März mit, dass in mehreren Handlungsfeldern Verbesserungen angestrebt werden. «Das Ziel ist es eine respektvolle Arbeitsatmosphäre zu schaffen, welche der verbesserten Zusammenarbeit sämtlicher Mitarbeitenden von Cleaning Zürich Herdern dient», so die SBB.
Nur: Davon ist man weit entfernt. «Die Untersuchung der SBB hat klar gezeigt, dass die Situation in der Unterhaltsanlage Herdern nicht mehr tragbar ist», sagt Belometti. Die Situation habe sich in der Zwischenzeit sogar noch verschärft: «Um herauszufinden, wer mit uns gesprochen hat, werden Mitarbeitende schikaniert und eingeschüchtert. Eine Person, die bei der Befragung eine Aussage gemacht habe, wurden erst letzte Woche entlassen.»
Reinigungskraft: «Wir werden als dumm bezeichnet»
Eine Reinigungskraft bestätigt die Aussagen: «Wir temporären Mitarbeitenden dürfen uns nicht wehren, ansonsten werfen sie uns sofort raus.» Er berichtet von unhaltbaren Zuständen: «Die Teamchefs behandeln mich wie einen Sklaven. Für sie sind die temporären Mitarbeiter nichts wert.» Der Druck, der ausgeübt werde, sei riesig: «Die Waggons müssen wir unter einem riesigen Stress reinigen – pro Waggon geben uns die Chefs kaum Zeit.» Auch reklamierten die Chefs andauernd, dass die unter grossem Zeitdruck ausgeübte Arbeit nicht gut gemacht worden sei.
«Von den Schichtleitern werden wir als dumm bezeichnet oder beleidigt», so die Reinigungskraft. Selbst arbeiteten die Vorgesetzten aber kaum: «Fast den ganzen Tag sitzen sie vor dem Handy, trinken Kaffee und rauchen Zigaretten.» Manchmal fielen auch rassistische Äusserungen. Die Schichtleiter – aus Albanien stammend – hätten ihm auch Folgendes gesagt: ‹Wärst du Albaner, hättest du auch ein schönes Leben›.» Er hätte nie gedacht, dass sich ein bundesnaher Betrieb sowas leisten könne, so die Reinigungskraft. «Als temporäre Mitarbeitende können wir uns nicht wehren – sonst werfen die uns sofort raus.» Das sei bereits einigen anderen ehemaligen Arbeitskolleginnen und -kollegen passiert, nachdem sie reklamiert hätten.
SBB: «Nehmen Meldungen sehr ernst»
Wie die SBB auf Anfrage mitteilt, nehme sie Meldungen ihrer Mitarbeitenden immer sehr ernst. «Die SBB hat darum im konkreten Fall Herdern bereits Anfang Januar 2021 eine breite Untersuchung eingeleitet, zusammen mit den Mitarbeitenden und mit Information an die Sozialpartner», so ein SBB-Sprecher. «Massnahmen sind in Umsetzung und betreffen die Kommunikation, die Zusammenarbeit und die Arbeitsorganisation.» Das klare Ziel sei es, eine respektvolle Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die der verbesserten Zusammenarbeit sämtlicher Reinigungsmitarbeitenden in Zürich Herdern diene.
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