KartellgesetzDie Schweiz bleibt eine Hochpreisinsel
Der Bundesrat erleidet Schiffbruch: Der Nationalrat tritt nicht auf seine Revision des Kartellgesetzes ein. Damit hätten die hohen Preise in der Schweiz bekämpft werden sollen.

Der Nationalrat tritt nicht auf die Revision des Kartellgesetzes ein. Er ist am Donnerstag mit 106 zu 77 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Antrag seiner Wirtschaftskommission gefolgt. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.
Grundsätzlicher Widerstand gegen die Reform kam von bürgerlicher Seite, aber auch von der Linken: Insbesondere Vertreter von SVP und CVP halten eine Änderung des Kartellgesetzes für unnötig und die vorgeschlagenen Lösungen für untauglich. Die Gewerkschaften stören sich vor allem am geplanten Umbau der Wettbewerbskommission, in der sie dann nicht mehr vertreten wären.
Mit Ergebnis unzufrieden
Ein anderer Teil der Linken, der die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten im Auge hat, war mit dem sich abzeichnenden Ergebnis unzufrieden: In der Wirtschaftskommission (WAK) hatte keine der Massnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs eine Mehrheit gefunden.
Im Namen der FDP hatte Ruedi Noser (ZH) für Eintreten geworben. Die Revision sei zur Diskussion bereit, also sollte sie auch diskutiert werden. «Gewichten wir die Vorlage dort, wo sie zu gewichten ist, nämlich in der Schlussabstimmung», sagte Noser. So hatte es auch die WAK gemacht: Sie war auf die Vorlage eingetreten, hatte das Ergebnis dann aber deutlich abgelehnt.
Noser erinnerte daran, dass mit der Revision des Kartellgesetzes auch unbestrittene Reformen versenkt würden, etwa das Widerspruchsverfahren oder die Modernisierung der Fusionskontrolle.
Reform für tiefere Preise
Auf die Seite der FDP schlug sich die SP: Trotz verschiedener Massnahmen sei die Hochpreisinsel Schweiz unangetastet, die Folge sei eine massive Zunahme des Einkaufstourismus, sagte Prisca Birrer-Heimo (LU). Die Abschöpfung der Kaufkraft durch wettbewerbsschädliche Praktiken halte bis heute an und müsse mit einer Revision des Kartellgesetzes gestoppt werden.
Die GLP stimmte ebenfalls für Eintreten. Nicht alle in die Revision gesetzten Erwartungen würden sich umsetzen lassen. Genauso würden sich aber nicht alle Befürchtungen erfüllen, sagte Kathrin Bertschy (BE).
«Preise sind zu hoch»
Auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warb für Eintreten. «Die hier bezahlten Preise sind zu hoch», sagte er. Die Revision werde für eine Belebung des Wettbewerbs sorgen. Ohne Wettbewerb gebe es keinen Wohlstand, keine Innovation und auch keine gesicherte Beschäftigung, sagte Schneider-Ammann. Nutzniesser eines funktionierenden Wettbewerbs seien aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten.
Für den Wirtschaftsminister ist die vorgeschlagene Revision wohl begründet. Das geltende Kartellverbot sei administrativ aufwendig und mit Rechtsunsicherheit verbunden. Auch die Organisation der Wettbewerbsbehörden müsse auf einen modernen Stand gebracht werden.
Ungeliebte Reformen
Grundsätzlicher Widerstand gegen die Revision kam von der SVP. «Das heutige Kartellgesetz bietet genügend Schutz für den Wettbewerb», sagte Caspar Baader (BL). Die WEKO habe alle angepackten Fälle verfolgen können. Die geplante Umkehr der Beweislast sei für KMU nicht zumutbar. Ausserdem würde das Teilkartellverbot auch sinnvolle Kooperationen verbieten.
Die Mehrheit der CVP stimmte ebenfalls gegen Eintreten. «Am Schluss haben wir eine Revision, die lange gedauert hat, die aber niemanden mehr befriedigt», sagte Dominique de Buman (CVP/FR). Er sprach von einer «Supermarktmentalität», in der alle nur ihre Lieblingsregeln ins Körbchen legten, ohne auf das Gleichgewicht der Reform zu achten.
Den Grünen ist unter anderem die Reform der Weko ein Dorn im Auge, weil damit auch die Gewerkschaften aus dem Gremium gedrängt würden. Auch das Verbot harter Kartelle stiess in der Fraktion auf Widerstand. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen seien auf Arbeitsgemeinschaften angewiesen, um im Wettbewerb bestehen zu können, sagte Louis Schelbert (LU).
Umstrittene Reformen
Die vom Bundesrat vorgelegten Revision des Kartellgesetzes zielt auf eine Reform der Wettbewerbsbehörde. Um deren Unabhängigkeit zu stärken, soll das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) zu einer Wettbewerbsbehörde aufgewertet und die Weko selber zu einem Wettbewerbsgericht umgebaut werden. Das hat der Ständerat abgelehnt. Er will die Weko stattdessen verkleinern und professionalisieren.
Dem Verbot harter Kartelle hatte die kleine Kammer hingegen zugestimmt. Im Kern handelt es sich um eine neue Verteilung der Beweislast: Die Wettbewerbsbehörde müsste nicht mehr beweisen, dass eine Absprache den Wettbewerb behindert. An den Unternehmen wäre es hingegen, den Effizienzgewinn einer Absprache nachzuweisen. Die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission möchte hingegen am Status quo festhalten.
Darüber hinaus hatte der Ständerat ein Verbot der Diskriminierung von Schweizer Kunden in die Vorlage eingefügt. Dieses soll der Weko erlauben, gegen ausländische Unternehmen vorzugehen, die sich weigern, Schweizer Händler zu lokalen Tarifen zu beliefern. (sda)