«Time-out» mit Klaus ZauggDie Schweiz hat noch Steigerungspotential
Drei Spiele, drei Siege. Geht es an dieser WM im gleichen Takt weiter? Ein Zwischenzeugnis zeigt auf, dass die Schweizer sogar noch Steigerungspotenzial haben und offenbart den grössten Unterschied zur WM 2009: Die Ausgeglichenheit.
- von
- Klaus Zaugg
- Mannheim
Obwohl gut und gerne 20 Spiele nicht zur WM fahren wollten, konnten oder durften: Das WM-Team 2010 ist ausgeglichener als alle WM-Mannschaften der Ära Krueger. Diese Ausgeglichenheit über vier Blöcke ist das Erfolgsgeheimnis der Schweizer und lässt sich gut statistisch aufzeigen: An der WM 2009 kamen neun Spieler auf weniger als 12 Minuten Einsatzzeit pro Spiel. Hier sind es nur fünf. Bei der WM 2009 wurde Mark Streit extrem forciert (28 Minuten Eiszeit pro Partie). In Mannheim ist Goran Bezina mit lediglich knapp 22 Minuten Eiszeit der am stärksten belastete Spieler.
Diese Ausgeglichenheit führt zu einer flacheren Hierarchie im Team und das Fehlen von Streit, der in der Kabine und auf dem Eis alles dominierte, führt dazu, dass Mathias Seger, Goran Bezina, Julien Vauclair und Steve Hirschi alle Leaderrollen übernehmen. Seger hat jetzt pro Partie fast sieben Minuten mehr Eiszeit als an der WM 2009.
Wie gut ausbalanciert die WM-Mannschaft 2010 ist, zeigt sich in der Notengebung unseres Zwischenzeugnisses: 16 der 22 eingesetzten Spieler haben Noten zwischen 5,0 und 6,0.
Torhüter
Martin Gerber, Note 5,5
37 Schüsse, 97,30 % Abwehrquote
Kein Fehler gegen die Operettenstürmer von Lettland und Italien. Die grosse Bewährungsprobe folgt gegen Tschechien (Samstag, 20.15 Uhr, live SF2).
Tobias Stephan, Note 6,0
32 Schüsse, 96,88 Abwehrquote.
Der coole Blocker war der perfekte Goalie gegen die robusten Kanadier.
Verteidiger
Roman Josi, Note 5,5
3 Spiele, 1 Tore, 2 Assists, 5 Torschüsse, keine Strafe, +2, 14,44 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Spielt sachlicher, weniger frech als beim SCB und ist trotzdem kreativ. Der produktivste Verteidiger der gesamten WM! Wahrscheinlich der intelligenteste Schweizer Spieler.
Timo Helbling, Note 4,5
3 Spiele, kein Skorerpunkt, kein Torschuss, keine Strafe, +3, 8:08 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Hatte gegen Lettland und Italien Mühe, Position und Rhythmus zu finden und führte die Scheibe zu lange. Aber gegen Kanada zeigte unser Mann fürs Grobe sein bisher bestes Länderspiel. Weil er sich auf ganz einfaches Handwerk konzentrierte.
Félicien Du Bois, Note 4,0
3 Spiele, kein Skorerpunkt, 2 Torschüsse, 2 Strafmin., +1, 13:37 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Gegen Lettland und Italien souverän, aber gegen Kanada wegen der höheren Intensität am Rande der Überforderung. Nun folgt grosse Bewährungsprobe.
Mathias Seger, Note 6,0
3 Spiele, 0 Tore, 1 Assists, 5 Torschüsse, 4 Strafmin., +5, 20:26 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Der beste Seger aller Zeiten. Spielt zügig aber ohne Hast, macht keine Fehler, trifft in jeder Situation die richtigen Entscheidungen und ist auf und neben dem Eis ein ruhiger, gelassener Leader.
Steve Hirschi, Note 5,0
3 Spiele, kein Skorerpunkt, 4 Torschüsse, keine Strafe, +/- 0, 18:00 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Die grosse Überraschung: Keiner unserer Verteidiger, nicht einmal Helbling, spielt so intensiv. Der beste Hirschi, den wir je gesehen haben.
Goran Bezina, Note 5,5
3 Spiele, 1 Assist, 7 Torschüsse, keine Strafe, +1, 21:21 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Der zweite Verteidigungsminister neben Mathias Seger. Defensiv ohne Fehl und Tadel. Aber er muss nach vorne mehr bewirken, wenn unser Powerplay (10.) besser werden soll.
Julien Vauclair, Note 5,0
3 Spiele, ein Assist, 3 Torschüsse keine Strafe +2, 19:21 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Eine Klasse besser, verlässlicher, aufmerksamer als in Lugano. Bringt mit seinen gut getimten Rushes Schwung ins Spiel.
Stürmer
Paul Savary , Note 5,0.
3 Spiele, ein Assist, 2 Torschüsse, 2 Strafmin., +1, 15:27 Min. Einsatzzeit pro Spiel
In der Rolle des Defensivstürmers, die Thomas Ziegler in der Ära Krueger hatte. Aber bissiger und beweglicher als Ziegler.
Andres Ambühl, Note 5,5
3 Spiele, 2 Tore, 1 Assist, 12 Torschüsse, 4 Strafmin., +5, 15:20 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Mit seiner Energie und Spielintensität einer der Väter der Siege gegen Lettland und Italien. Leider kein Vollstrecker, der seine Laufmeter ganz in Tore ummünzen kann. Ist eine Klasse besser als in Vancouver. Er hat offensichtlich die missglückte Saison in Nordamerika vergessen. Einiges spricht dafür, dass die Verpflichtung von Ambühl einer der wichtigste ZSC-Transfer seit Ari Sulander ist.
Thomas Déruns, Note 6,0.
3 Spiele, 1 Tore, 2 Assists, 8 Torschüsse, 2 Strafmin., +3, 15:15 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Die höchste Spielintensität aller Schweizer Stürmer. Die perfekte Kombination aus Wucht und Tempo und taktischer Disziplin. In seinem Hoheitsgebiet entlang der Banden bis vors Tor ein König. Als Ivo Rüthemann und Martin Plüss gegen Kanada mit Déruns stürmen durften, spielten sie so, als seien sie 10 Kilo schwerer, 10 Zentimeter grösser und 10 km/h schneller.. Bekommt mit ziemlicher Sicherheit eine NHL-Offerte.
Nino Niederreiter, Note 3,0.
2 Spiele, kein Skorerpunkt, 1 Torschuss, 4 Strafmin., +/- 0, 6:43 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Als Junior ist er auf dem höchsten Level des Erwachsenenhockeys an seine Grenzen gestossen. Das ist an und für sich normal, Tempo und Intensität zu hoch. Sass gegen Kanada noch als 13. Stürmer auf der Bank, wurde aber nicht mehr eingesetzt.
Thibaut Monnet, Note 5,0.
3 Spiele, 1 Tore, 1 Assist, 9 Torschüsse, 2 Strafmin., +4, 16:48 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Schiesst er die entscheidenden Tore in der Zwischenrunde und im Viertelfinal? Er wirkt cool wie noch selten an einer WM und hat eine Leaderrolle übernommen.
Martin Plüss, Note 5,5.
3 Spiele, 3 Tore, 2 Assists, 10 Torschüsse, keine Strafe, +5, 17:47 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Gegen Lettland und Italien noch am Aufwärmen (schliesslich gab es ja einen Meistertitel zu feiern). Aber bereits gegen Kanada eine der besten WM-Partien seiner Karriere und zweitbester Skorer des gesamten WM-Turniers. Er ist einer der Stürmer, die uns ins Halbfinale bringen können.
Marcel Jenni, Note 4,5
3 Spiele, kein Skorerpunkt, 2 Torschüsse, keine Strafe, -1, 8:00 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Von allen Stürmern am wenigsten Einsatzzeit (8.00 Min.) und neben Paolo Duca und Morris Trachsler der einzige mit einer Minusbilanz. Seit Jahren ein Alphatier und akzeptiert jetzt trotzdem klaglos die Rückversetzung in die Position eines Rollenspielers mit wenig Eiszeit. Das ist bemerkenswert.
Ivo Rüthemann, Note 5,0
3 Spiele, 1 Tore, 2 Assists, 8 Torschüsse, keine Strafe, +3, 16:38 Min. Einsatzzeit pro Spiel
"Speed kills": Tempo und Schlauheit schlagen Muskelkraft und Wasserverdrängung. Das flinke Kufentier setzt sich auch auf WM-Niveau durch.
Morris Trachsler, Note 5,0.
1 Spiel, kein Skorerpunkt, kein Torschuss, keine Strafe, -1, 11:13 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Bestritt gegen Kanada sein erstes WM-Spiel. Gewann mehr als 70 Prozent der Bullies. Kann mit seiner Spielintensität als Defensivstürmer zum Schlüsselspieler werden.
Paolo Duca, Note 3,5
3 Spiele, kein Skorerpunkt, 4 Torschüsse, keine Strafe, -2, 10:07 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Der König von Ambri zählt auf internationalem Niveau zum verarmten spielerischen Landadel. Auf dieser Stufe geht alles ein bisschen zu schnell für ihn.
Romano Lemm, Note 4,0
3 Spiele, kein Skorerpunkt, 8 Torschüsse, 2 Strafmin.. +/-0, 14:47 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Wir warten auf den Exploit des spielstarken Opportunisten. Technisch gut genug, um auch auf diesem Level ein Spiel zu entscheiden. Er hat von allen Schweizer Spielern das grösste Steigerungspotenzial und wenn er in Kloten so spielt wie in den ersten drei WM-Partien, brennt der Baum im Büro von Präsident Jürg Bicher.
Kevin Romy, Note 4,5
3 Spiele, 1 Assist, 4 Torschüsse, 2 Strafmin., +/-0, 12:58 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Der schlaue Defensivstürmer ist die sanfte Version von Morris Trachsler. Aus seinem Talent müsste er eigentlich offensiv mehr machen.
Damien Brunner, Note 5,0.
3 Spiele, 1 Tore, 2 Assists, 7 Torschüsse, 2 Strafmin., +3, 13:57 Min. Einsatzzeit pro Spiel
Tanzt er mehr als zwei Spiele? Zusammen mit Andres Ambühl der beste Stürmer gegen Lettland und Italien. Aber da war der Widerstand nicht viel grösser als gegen die SCL Tigers oder Biel. Gegen Kanada im dritten Spiel jedoch (fast) wirkungslos. Nun folgt die grosse Bewährungsprobe.