Rahmenabkommen gescheitert - Die Schweiz könnte den Zugang zu europäischen Forschungen verlieren

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Rahmenabkommen gescheitertDie Schweiz könnte den Zugang zu europäischen Forschungen verlieren

Der Bundesrat hat das EU-Rahmenabkommen beerdigt. Das könnte schwere Folgen für die Schweizer Wirtschaft haben.

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Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist gescheitert.

Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist gescheitert.

REUTERS
Es liege nun am Bundesrat, den bilateralen Weg zu stabilisieren und den Schaden zu minimieren, heisst es vonseiten des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse.

Es liege nun am Bundesrat, den bilateralen Weg zu stabilisieren und den Schaden zu minimieren, heisst es vonseiten des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse.

Tamedia/ Urs Jaudas
«Im schlimmsten Fall zerfallen nun die bilateralen Verträge zwischen EU und Schweiz langsam», erklärt Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse.

«Im schlimmsten Fall zerfallen nun die bilateralen Verträge zwischen EU und Schweiz langsam», erklärt Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse.

nicole pont

Darum gehts

  • Das Rahmenabkommen kommt nicht zustande zwischen EU und Schweiz.

  • Der Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB und der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse unterstützen die Entscheidung.

  • Der Schweizerische Arbeitgeberverband und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sind enttäuscht.

  • Denn ohne Rahmenabkommen könnte die EU die bilateralen Verträge nicht weiterentwickeln.

  • Das hätte negative Folgen für die Schweiz.

Die Schweiz hat die Verhandlungen rund um das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen. Die Gespräche mit der EU hätten nicht zu nötigen Lösungen geführt, teilte der Bundesrat am Mittwochnachmittag mit.

Der Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB und der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse begrüssen die Entscheidung. Nur so sei der Lohnschutz gewährleistet. «Der Preis eines Verhandlungsabschlusses über dieses Rahmenabkommen wäre für die Schweizer Arbeitnehmenden zu hoch gewesen», schreibt der SGB in einer Medienmitteilung.

Der Schweizerische Gewerbeverband SGV bezeichnet den Abbruch der Verhandlungen sogar als einen Akt der Vernunft. Denn der vorliegende Vertragsentwurf sei nicht geeignet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zu erhalten.

Bilaterale Verträge absichern

Dass der Bundesrat nach langjährigen Verhandlungen kein aussen- sowie innenpolitisch ausgewogenes Ergebnis erreichen konnte, findet der Schweizerische Arbeitgeberverband SAV schade. Es liege nun am Bundesrat, neue Wege zu finden, um die bilateralen Verträge abzusichern.

Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bedauert, dass die Beratungen zwischen Bern und Brüssel zu keinem einvernehmlichen Ergebnis geführt haben: Der Bundesrat müsse den bilateralen Weg jetzt stabilisieren und den Schaden minimieren, schreibt der Verband in einer Mitteilung.

Schweiz könnte Zugang zu Forschung verlieren

«Im schlimmsten Fall zerfallen nun die bilateralen Verträge zwischen EU und Schweiz langsam», erklärt Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse. Das hätte deutliche wirtschaftliche Folgen für die Schweiz. So könnte die Schweiz den Zugang zu den europäischen Forschungsprogrammen verlieren.

«Das hätte direkte Auswirkungen auf die hiesigen Hochschulen», erklärt Minsch. Aber auch Unternehmen würden die Folgen spüren und möglicherweise ihre Forschung ins Ausland verlagern. Dadurch könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Zusätzlich könnte die EU politische Massnahmen gegen die Schweiz ergreifen. «Es wäre ein böses Erwachen», sagt Minsch.

Im besten Fall könnten die Schweiz und die EU ihre Verhandlungen nach einiger Zeit wieder aufnehmen und ein neues Abkommen aufsetzen. Nur so könnten negative wirtschaftliche Auswirkungen langfristig verhindert werden, so Minsch.

EU könnte nur einzelne bilaterale Abkommen weiterführen

Dass die Schweiz nächstens ein neues Abkommen mit der EU aufsetzt, schätzt ZHAW-Ökonom Tilman Slembeck als unwahrscheinlich ein. Er geht davon aus, dass die EU ihre Ankündigung wahr macht und die bisherigen bilateralen Abkommen in vielen Bereichen zögerlich oder gar nicht weiterentwickelt.

«Lediglich Abkommen, von denen die EU stark profitiert, werden wohl aktualisiert», so Slembeck. Dazu gehöre das Landverkehrsabkommen. Denn die EU benötige den Zugang zum Verkehr durch die Alpen für den Personen- und Gütertransport. «Der Strommarkt wird hingegen leiden, denn die EU braucht kaum Strom aus der Schweiz. Doch die Schweiz benötigt den Zugang zum EU-Strommarkt.»

Wirtschaftswachstum verlangsamt sich jetzt

Das Aus des Rahmenabkommens sorge nun in erster Linie für Unsicherheit, erklärt Martin Eichler, Chefökonom des unabhängigen Schweizer Wirtschaftsforschungsinstituts BAK: «Unternehmen können jetzt nicht mehr sicher planen und werden dadurch weniger Investitionen tätigen.» Das wirke sich negativ auf die Wirtschaft aus.

Ohne Rahmenabkommen gehe die Schweizer Wirtschaft aber nicht gleich unter, beschwichtigt Eichler: «Das wirtschaftliche Wachstum der Schweiz verliert dadurch einfach an Schwung.» Die Ablehnung des Rahmenabkommens ist laut Eichler eine verpasste Chance.

Das hätte eine Annahme bedeutet

Für die Schweiz hätte das Abkommen verschiedene Folgen gehabt. Im Bereich der Marktzugangsabkommen wäre die dynamische Rechtsübernahme eingeführt worden. Sprich, wenn die EU das Binnenmarktrecht anpasst, wäre dies in der Schweiz automatisch übernommen worden. Ausserdem hätte das Abkommen die Schaffung eines Streitschlichtungsverfahrens mittels eines Schiedsgerichts vorgesehen. Der Europäische Gerichtshof wäre immer dann einbezogen worden, wenn die Auslegung von EU-Recht betroffen gewesen wäre.

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