Flüchtlings-Rettungsschiff«Die Situation ist sehr prekär»
Dutzende Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff sind seekrank. Ärzte ohne Grenzen nennt die lange Überfahrt «absurd». Jetzt bietet auch Frankreich Hilfe an.
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Die Odyssee des Flüchtlings-Rettungsschiff «Aquarius» auf dem Weg nach Spanien geht weiter. Wegen schlechten Wetters und bis zu vier Meter hohen Wellen musste das Schiff seine Route auf dem Weg ins spanische Valencia ändern.
«Die Situation ist sehr prekär, sowohl für die Flüchtlinge wie auch für die Crew. Vergangene Nacht hat sich das Schiff sehr stark bewegt, für alle an Bord war es sehr hart», sagt Aloys Vimard zu 20 Minuten. Er ist Projektkoordinator für Ärzte ohne Grenzen auf der «Aquarius». Selbst er, der seit mehr als drei Monaten an Bord des Schiffes ist, habe «noch nie so etwas erlebt».
Das Ziel: Ein sicherer Ort
Mindestens 80 ohnehin erschöpfte Flüchtlinge mussten behandelt werden, weil sie seekrank waren, wie die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mitteilte. Die «Aquarius», die mit zwei italienischen Schiffen Kolonne fährt, befand sich am Donnerstag nahe der Ostküste Sardiniens.
«Diese Menschen, die schon sehr viel durchgemacht haben, werden aus politischen Gründen noch grösserem Leid ausgesetzt», sagt Vimard.
Sie wollten nach Italien, jetzt landen sie in Spanien. Wie gehen die Menschen mit der Ungewissheit um? «Viele erzählen mir, dass sie glücklich darüber sind, an einen sicheren Ort zu kommen. Sie stammen aus Länder, in denen extreme Gewalt herrscht», so der Projektleiter. «Ihr Ziel war darum nicht unbedingt Italien, sondern ein Ort, an dem sie sich beschützt fühlen.»
Frankreich bietet Hilfe an
Nach Spanien ist nun auch Frankreich bereit, Passagiere des Schiffs aufzunehmen, «die den Kriterien des Asylrechts entsprechen», teilte das Pariser Aussenministerium mit. Aussenminister Jean-Yves Le Drianbot dies am Donnerstag in einem Gespräch mit seinem spanischen Amtskollegen Josep Borrell an.
Zuvor solle ihre Situation von Beamten des französischen Flüchtlingsamtes in Spanien geprüft werden. Spanien habe dieses Angebot positiv aufgenommen. Wie viele Menschen Frankreich aufnehmen will, blieb in der Erklärung offen.
Leichen im Meer zurückgelassen
Das weitere Schicksal von rund 40 Flüchtlingen und Migranten, die am Dienstag von einem Schiff der US-Marine vor der libyschen Küste gerettet wurden, ist unterdessen weiter unklar.
Die «Trenton» sei vor Augusta in Sizilien und sie werde «hoffentlich» die Bewilligung für die Einfahrt bekommen, erklärte der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Flavio Di Giacomo, auf Twitter.
Zwölf Leichen, die die US-Marine bei der Rettungsaktion im Wasser treiben gesehen habe, habe sie dort zurückgelassen, sagte eine Navy-Sprecherin. Es seien keine Toten an Bord der «Trenton» gebracht worden. Zuvor war spekuliert worden, dass die Leichen über Bord geworfen worden seien, weil es keine Kühlzellen auf dem Schiff gebe.
Salvini will private Seenotretter verbannen
Nicht nur für die Hilfsorganisationen ist unklar, wie es mit der Seenotrettung im Mittelmeer weitergeht, seit Italien der «Aquarius» erstmals die Einfahrt in einen Hafen verwehrt hatte. Das Schiff mit mehr als 600 Menschen an Bord war zwei Tage lang zwischen Malta und Sizilien blockiert.
Italiens neue populistische Regierung - allen voran Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega - will die Ankünfte von Flüchtlingen und Migranten in Italien weiter reduzieren und private Seenotretter aus dem Meer verbannen.
«Lange und absurde Überfahrt»
Spanien könnte die «Aquarius» am Samstagabend oder Sonntagmorgen erreichen, Frankreich schon früher. «Eine lange und absurden Überfahrt», nannte Claudia Lodesani, Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen in Italien, die Odyssee laut Mitteilung.
Die insgesamt rund 630 Flüchtlinge, von denen sich 106 auf der «Aquarius» und mehr als 520 auf den anderen beiden Schiffen befinden, waren am Wochenende aus Seenot gerettet worden. Auf der «Aquarius» sind auch 10 Kinder und mehrer Schwangere. (kle/sda)