Nummer 5 im NHL-Draft: Die steile Karriere von Nino Niederreiter

Aktualisiert

Nummer 5 im NHL-DraftDie steile Karriere von Nino Niederreiter

Seit heute Nacht ist Nino Niederreiter der am frühsten gedraftete Schweizer Eishockeyspieler aller Zeiten. Der erst 17-jährige New York Islander hat einen steilen Aufstieg hinter sich.

Monika Brand
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Monika Brand
Nino Niederreiter (l.) sorgte an der U20-WM für Furore.

Nino Niederreiter (l.) sorgte an der U20-WM für Furore.

«Nino wer?», das hatte sich während der U20-WM in Kanada Anfang Jahr manch einer gefragt. Der in der Schweiz zu dem Zeitpunkt noch völlig unbekannte 17-Jährige schoss für die «Eisgenossen» Tor um Tor und führte die in den Vorjahren stets abstiegsbedrohte Auswahl auf den guten vierten Platz. Während die zwei «Stars» der Schweizer Junioren, der NHL-erfahrene Luca Sbisa und SCB-Crack Roman Josi, verletzungsbedingt ausfielen, nahm der junge Niederreiter die Verantwortung auf seine Schultern. Die 4:11-Pleite im Spiel um Platz 3 gegen Schweden konnte schliesslich aber auch er nicht verhindern. Doch immerhin schloss Niederreiter das Turnier im Mutterland des Eishockeys auf Platz sieben der Skorerliste ab (6 Tore/4 Assists).

Wer zu dem Zeitpunkt nach Informationen über den Bündner suchte, fand kaum etwas. Im Spielerverzeichnis des bekannten Schweizer Eishockey-Portals «hockeyfans.ch» fand man Niederreiter zwar, doch Angaben über Klub, Position oder Geburtstag fehlen dort auch heute noch, genauso wie Statistiken zu seiner Person. Fündig wurde man allerdings in amerikanischen Portalen. Denn: Im Sommer 2009 hatte der damals erst 16-jährige Churer bereits den Sprung nach Übersee gewagt - und das sehr erfolgreich. Für die Portland Winterhawks hat der junge Schweizer in der abgelaufenen Spielzeit in 78 Spielen 44 Tore und 32 Assists erzielt, womit er teamintern auf Platz vier der Skorerliste stand, innerhalb der gesamten renommierten nordamerikanischen Junioren-Liga WHL reichte es für den Rookie immerhin für Platz 19 in der Torschützenliste.

Debüt in der A-Nati

Praktisch aus dem Nichts aufgetaucht stachen die Leistungen von Nino Niederreiter natürlich auch dem neuen Schweizer National-Trainer Sean Simpson ins Auge. In der Folge bot er den erst 17-Jährigen im Mai für die A-WM in Deutschland auf. Die Hoffnungen auf das Jahrhundertalent waren gross - zu gross für Niederreiter. Der junge Bündner war mit dem Spiel bei den «ganz Grossen» sichtlich überfordert und konnte noch nicht in dem Masse auftrumpfen, wie ihm das Monate zuvor noch bei den Junioren gelang. Niederreiter musste schliesslich mit dem Platz als Reserve-Spieler vorliebnehmen.

Davos - Portland einfach

Vor seinem Wechsel nach Nordamerika ging Niederreiter zuletzt für den HC Davos auf Torjagd. In erster Linie bei den Elite-Junioren spielend, kam er im Frühling 2009 in gar bei drei Playoff-Spielen beim Fanionteam zum Einsatz. In der entscheidenden siebten Viertelfinal-Partie gegen Lugano gab der Bündner den Assist zum wegweisenden 1:0.

Hätte es den jungen Churer nicht gereizt, beim Schweizer Meister zu bleiben? Doch. Aber: «Dieses Jahr war mein Draft bei den Junioren. Ich wollte mich mit den besten meines Jahrgangs messen, um zu schauen, wo ich stehe», sagte Niederreiter Ende letztes Jahr zur «Südostschweiz». Zudem habe er auch viele Gespräche mit Luca Sbisa geführt, der den gleichen Weg wählte und die Saison zuvor als erst zehnter Spieler überhaupt unter 18 Jahren in der NHL debütierte und bereits 47 Partien in der «härtesten Liga der Welt» bestritt.

Schnelle Angewöhnungszeit

Einfach war der Wechsel nach Übersee für Niederreiter nicht. «Meine Mutter hatte extreme Probleme damit, mein Vater auch», sagt der Stürmer. Dennoch haben die Eltern ihn in seinem Vorhaben unterstützt. Die Angewöhnungsphase in den USA verlief zu seinem eigenen Überraschen schnell. «Man lernt jeden Tag wieder etwas Neues kennen, von daher ist es schon super», schwärmt der 17-Jährige. Auch mit dem Englisch «läuft es wirklich gut, ich dachte nicht, dass ich es so schnell lernen kann.»

In Portland lebt Niederreiter zusammen mit einem Teamkollegen bei einer Gastfamilie, wo er einen geregelten Tagesablauf hat. Von 9 bis 10.30 Uhr hat der Bündner, der in der Schweiz seine Lehre als Heizungsmonteur abgebrochen hat, Schule, danach steht für eine Stunde Krafttraining auf dem Programm. Anschliessend folgt das Eistraining und ab 15 Uhr ist Freizeit angesagt. Etwas Mühe hatte der Stürmer zu Beginn nur mit dem Verhältnis zwischen den Spielern und den Coaches. «Die Trainer reden nur auf dem Eis mit dir, du weisst nie, was sie von dir halten», so Niederreiter in der «Südostschweiz» vom 18. September letzten Jahres. Dass er sich gegenüber 140 Mitbewerber für einen Stammplatz bei den Portland Winterhawks durchgesetzt hat, spricht allerdings für sich. Wobei der Schweizer jedoch nie richtig zittern musste, da er als hoher Draft (Nr. 2 der Ausländer-Rookies) so gut wie gesetzt war.

Gewöhnungsbedürftig war für den 17-Jährigen auch das grosse Interesse an seinem Team und an seiner Person. Zwischen 7000 und 15 000 Zuschauer finden sich jeweils an den Heimspielen der Winterhawks ein - während sich in der Schweiz teilweise gerade mal eine gute Handvoll Leute an die Junioren-Spiele verirrt. Ausserdem wurde Niederreiter gleich nach seiner Ankunft in Portland von der lokalen Presse interviewt, genauso wie der Schwede Jacob Berglund, einer der wenigen weiteren Europäer im Team des Schweizers.

Seit längerem als Erstrunden-Draft gehandelt

Überflieger Niederreiter, dessen Vorbild der russische Superstar Ilja Kowaltschuk ist, wurden gute Chancen eingeräumt, beim diesjährigen NHL-Draft in der ersten Runde gezogen zu werden. Experten rechneten schon seit Längerem damit, dass der Churer gar der früheste Schweizer Draft überhaupt werden könnte. Vor ihm hielt diese Position Michel Riesen inne, der 1997 als 14. Spieler in der ersten Runde von den Edmonton Oilers ausgewählt wurde. Der andere Schweizer Erstrundendraft vor Niederreiter, Luca Sbisa, erhielt 2008 als 19. Spieler den Zuschlag von den Philadelphia Flyers.

Niederreiter nahm den Wirbel um seine Person stets gelassen. Für ihn spiele es keine Rolle, in welcher Runde er gezogen werde, sagte Niederreiter zur «Südostschweiz». Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass es auch Spieler in die NHL schaffen, die erst am Ende gedraftet wurden. Andererseits ist auch der Erstrundendraft keine Garantie für eine steile NHL-Karriere, wie es auch bei den beiden Schweizern Riesen und Sbisa (bisher) nicht der Fall war. Der Seeländer Riesen brachte es gerade einmal auf 12 NHL-Einsätze bevor er wieder in die Schweiz zurückkehrte und auch Sbisa hat den Durchbruch noch nicht geschafft. Allerdings dürfte es bei ihm nur eine Frage der Zeit sein, bis er sich in der «härtesten Liga der Welt» etablieren kann.

«Darum denke ich, dass es nicht so wichtig ist, in welcher Runde man gezogen wird», sagte Niederreiter. «Wenn man ein gutes Saisonvorbereitungscamp hat und ins Team passt, kann man spielen und sonst muss man abwarten.» Um seinem Traum von der NHL ein Stückchen näher zu kommen, hatte sich der U20-Spieler für die letzte Spielzeit ein hohes Ziel gesetzt: Pro Spiel wollte er bei den Portland Winterhawks mindestens einen Skorerpunkt holen - was ihm auch fast gelang (76 Punkte in 78 Spielen).

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