Bundesratswahl«Die SVP-Spitze inszeniert eine Castingshow»
Mindestens elf SVPler balgen sich offiziell um einen Bundesratssitz – darunter keine einzige Frau. «Kein Ruhmesblatt», findet Politikberater Mark Balsiger.
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- daw
Herr Balsiger, die SVP-Kantonalsektionen haben elf Kandidaten offiziell ins Rennen um den Bundesrat geschickt. Warum so viele?
Die Rennleitung inszeniert eine Castingshow, bei der jeder Kandidat eine grosse Plattform erhält. Bessere Gratiswerbung gibt es nicht. Das Vorgehen ist allerdings nicht neu: Auch die SP suchte nach dem Rücktritt von Otto Stich im Sommer 1995 sehr breit nach den besten Köpfen. Dank vielen Kandidaturen sicherten sich die Genossen viel Aufmerksamkeit in den Medien, die den Anwärtern eifrig Porträts und Interviews widmeten. Bei den Nationalratswahlen legte die SP prompt um satte 3,3 Prozentpunkte zu. Für Schweizer Verhältnisse ist das sehr viel. Das SVP-Casting läuft nach einem ähnlichen Drehbuch ab.
Die Wahlen sind aber vorbei.
Es herrscht Dauerwahlkampf. Und im nächsten Frühling finden in den Kantonen Schwyz, Thurgau und St. Gallen bereits wieder Wahlen statt. Kandidaten, die sich jetzt gut schlagen, erlangen eine grosse Bekanntheit – davon zehrt die Partei langfristig.
Fehlt es in der SVP an starken Figuren, dass es keinen Top-Favoriten gibt?
Das Kandidatenfeld wurde künstlich gross gemacht. Bei einigen Figuren ist klar, dass ihre Nomination eine Form der Anerkennung ist oder aus taktischen Gründen erfolgte. Der Berner Nationalrat Albert Rösti wiederum fällt weg, weil es aus seinem Kanton schon zwei Bundesratsmitglieder gibt. Seine Kandidatur ist für die Galerie, obwohl er der klar fähigste Mann unter den elf SVPlern ist.
Wen wird die SVP denn aufstellen?
Nicht auszuschliessen ist, dass die Fraktion noch weitere Namen ins Spiel bringen wird. Ich wage für einmal einen Tipp: Es gibt ein Zweierticket mit den Nationalräten Heinz Brand und Thomas Aeschi.
Warum? SVP-Präsident Toni Brunner kann sich auch ein Dreierticker mit einem Kandidaten aus allen Sprachregionen vorstellen.
Das ist taktisch bedingt: Dank den Kandidaten Gobbi aus dem Tessin und Parmelin aus der Waadt ist es für andere Parteien schwieriger, aus diesen Sprachregionen Sprengkandidaturen zu lancieren. Ich glaube, dass die SVP nicht ernsthaft an lateinische Kandidaten denkt, sondern einen Bundesrat aus der deutschen Schweiz will. Dort sind die meisten Anhänger der Partei zu Hause. Thomas Aeschi wäre ein Vertreter der Zentralschweiz, die nicht im Bundesrat vertreten ist. Die Parteispitze setzt auf ihn. Die Frage ist, ob er im Parlament genug Freunde hat, die ihn am 9. Dezember auch wählen. Er zählt im Gegensatz zu einem Thomas Hurter oder Albert Rösti nicht zu den populären Parlamentariern.
Unter den elf Namen ist keine Frau. Könnten die anderen Parteien eine weibliche Sprengkandidatin aufbauen?
Es ist für die SVP kein Ruhmesblatt, dass es unter den elf Kandidaturen keine einzige Frau hat. An einer Sprengkandidatur wird mit Sicherheit herumgewerkelt, sie müsste aber schon gut verankert sein und aus der SVP stammen. Strategen von SP und Grünen dürften versuchen, am Wahltag überfallartig einen gemässigten SVP-Vertreter ins Rennen zu schicken. Das geschah schon 2008, als Hansjörg Walter den offiziellen Kandidaten Ueli Maurer um ein Haar verdrängt hätte. Dem wilden Kandidaten Walter fehlten am Schluss nur zwei Stimmen zur Wahl.