KreislaufwirtschaftDie Textilbranche webt an den Stoffen der Zukunft
Die Textilbranche hinkt beim Recycling hinterher. Hinter den Kulissen tut sich jedoch einiges. Ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern zeigt mögliche Wege hin zur Kreislaufwirtschaft auf.
- von
- Jan Graber
Darum geht’s
In der Schweiz fallen jährlich 50’000 Tonnen Alttextilien an. Nur ein kleiner Teil wird hochwertig rezykliert.
Ein neues EU-Gesetz verlangt Textilien, die sich hochwertig rezyklieren lassen. Die Branche steht vor grossen Herausforderungen.
Ein Projekt der Hochschule Luzern zeigt, wie die Ziele erreicht werden können.
Zahlreiche Startups entwickeln derzeit Ideen und Technologien, die die Welt der Stoffe umweltfreundlicher machen.
Kleider gehören hierzulande zu den beliebtesten Shopping-Produkten. Schweizerinnen und Schweizer kaufen sich jedes Jahr durchschnittlich 60 neue Kleidungstücke. Bis 2030 rechnet die Europäische Kommission mit einer Zunahme der Textilproduktion um über 60 Prozent in Europa.
Umgekehrt fallen in der Schweiz jährlich 50'000 Tonnen Alttextilien an, in der EU waren es 2019 sogar fast sieben Millionen Tonnen. Doch nur gerade ein Prozent der Alttextilien wird laut der Europäischen Kommission in einem geschlossenen Kreislauf rezykliert. Der Rest landet im Downcycling, Abfall oder wird in Entwicklungsländer verfrachtet und vergraben.
Die Textilindustrie steht damit vor einem Imageproblem. Und der Druck wächst: Laut neuen EU-Auflagen müssen Textilien bis 2030 so hergestellt sein, dass sie sich möglichst rezyklieren lassen. Zudem soll die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zur Faser nachverfolgbar sein. Alttextilen dürfen ab 2030 auch nicht mehr in Entwicklungsländer entsorgt werden.
Noch weit von den Zielen entfernt
«Als wir die Bestimmungen lasen, schluckten wir zuerst leer», sagt Tina Tomovic, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern (HSLU). Der Grund: Die Textilbranche ist noch weit von diesen Zielen entfernt.
In der Forschungsgruppe widmet sich Tomovic den Recycling- und Kreislaufprozessen. Dazu gehört auch das Forschungsprojekt Texcircle, das die Nutzung von Synergien innerhalb der Textilindustrie untersucht.
Texcircle ist ein Ausblick in eine mögliche Zukunft: Mehrere Schweizer und internationale Unternehmen schlossen sich dafür zu einem sogenannten Cluster zusammen – unter anderem Coop, Rieter, Rohner Socken und Texaid. Erforscht wurde, wie sich Überschussmaterialien und Alttextilien zur Herstellung neuer, hochwertiger Produkte nutzen lassen. Das Ziel: Den Kreislauf innerhalb des Clusters zu schliessen.
Vier Produkte geplant
Da das Textildesign grossen Einfluss auf die Rezyklierbarkeit hat, entwickelte das Forscherteam zudem ein Design Decision Tool. Es soll die Designer bei der Entwicklung neuer Produkte mit Hinsicht auf ihre Kreislauffähigkeit helfen.
Aus dem Cluster entstanden sechs Prototypen, wovon vier auf den Markt kommen könnten: Das Startup Nikin stellte aus Jeans-Garnen Pullover her. Alte Wollmäntel wurden von Ruckstuhl zu Teppichen verarbeitet. Ausgemusterte Bäckerhosen von Coop wurden aufgetrennt, Rohner Socken verstrickte das Garn zu Socken und TigerLiz Textiles verarbeitete es zu Vorhängen.
«Die Textilunternehmen müssen sich lokal zusammenschliessen, um Know-How, Materialien und Synergien zu nutzen», sagt Tomovic. Die Probleme in der Textilbranche liessen sich nicht von Einzelunternehmen lösen.
Als nächstes will sich die Forschungsgruppe Produkt & Textil weiteren Forschungsprojekten zuwenden. Im Fokus sollen Sharing, Repairing und Remanufacturing stehen – Teilen, Reparieren und Wiederaufbereitung. In einem weiteren Projekt widmet sich das Team dem Thema Arbeitskleidung. «Hinter den Kulissen tut sich mehr, als man von aussen wahrnimmt», schliesst sie.
Die wichtigsten Textil-Startups
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