Strafgericht BS: Die verlorene Ehre des vermeintlichen Spitzels

Aktualisiert

Strafgericht BSDie verlorene Ehre des vermeintlichen Spitzels

Das Basler Strafgericht rehabilitierte den türkischstämmigen Sicherheitsassistenten Y.S. von Spionagevorwürfen. Es blieb jedoch bei einem Schuldspruch wegen Amtsmissbrauchs.

von
lha
Der vermeintliche Spitzel hatte zwar Polizeidatenbanken missbräuchlich verwendet, aber nicht für politische Zwecke.

Der vermeintliche Spitzel hatte zwar Polizeidatenbanken missbräuchlich verwendet, aber nicht für politische Zwecke.

Keystone/Georgios Kefalas/Symbolbild

Am 24. April 2017 veränderte sich das Leben von Y.S.* dramatisch. Der Sicherheitsassistent der Basler Kantonspolizei wurde von Kollegen verhaftet und mit schwersten Spionagevorwürfen konfrontiert. Tage zuvor hatte die «Basler Zeitung» einen Bericht publiziert, wonach Y.S. seinen Zugang zu Polizeidatenbanken dafür missbraucht haben soll, sensible Daten von regierungskritischen Türken an die Regierungspartei AKP weitergegeben zu haben. Der Skandal war perfekt: ein Erdogan-Spitzel bei der Basler Polizei.

Es kam für den 38-Jährigen noch schlimmer: Wegen eines Fotos, das ihn mit erhobenem Zeigefinger zeigte, wurde er gar zum Sympathisanten islamistischer Terrororganisationen gestempelt. Sein Anwalt sprach am Montag vor dem Basler Strafgericht von einer «infamen Denunziazionskampagne gegen einen unbescholtenen Bürger».

Missbräuchliche Abfragen aus privater Neugier

Ganz unbescholten verliess Y.S. das Gericht am Montag nicht. Von den gravierenden Vorwürfen, die landesweit Schlagzeilen machten, wurde er von Einzelrichter Roland Strauss aber gänzlich rehabilitiert. Einen Schuldspruch wegen Amtsmissbrauchs gab es trotzdem.

Y.S. hatte, das war für das Gericht erwiesen, mehrfach Abfragen in den Polizeidatenbanken und dem kantonalen Datenmarkt getätigt, um an Informationen über seine Ex-Frau, seine jetzige Partnerin und eine weitere Frau zu gelangen, die wegen eines Adoptionsverdachts an ihn gelangt war. «Damit hat er grundsätzlich sein Amt missbraucht», so Strauss. Diese Abfragen seien gravierende Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen. «Als erfahrener Berufsmann bei der Polizei wusste er, dass er etwas Verbotenes tat.» Y.S. arbeitete seit 17 Jahren bei der Polizei.

Von Spionage keine Spur

Bei den übrigen Abfragen konnte das Gericht allerdings kein Muster erkennen, insbesondere habe Y.S. nicht gezielt nach türkischstämmigen Personen gesucht, so Strauss. Es sei auch kein Vorteil für ihn aus den Abfragen ableitbar und «der Spionage-Vorwurf hat sich in keiner Art und Weise erhärtet».

Somit hat sich die Zahl der missbräuchlichen Datenbankabfragen gegenüber der Anklage mindestens halbiert. Das hatte für Y.S. einen erheblichen Strafrabatt zur Folge. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Strafbefehl noch eine bedingte Geldstrafe über 60 Tagessätze à 130 Franken sowie Busse und die Auferlegung aller Verfahrenskosten gefordert. Einzelrichter Strauss machte daraus 30 Tagessätze à 130 Franken bedingt, ohne Busse und reduzierte die Verfahrenskosten auf ein Drittel. Zusätzlich sprach er Y.S. Schadenersatz über 500 Franken sowie eine Genugtuung über 2000 Franken zu.

Rüffel an die Staatsanwaltschaft

«Die Staatsanwaltschaft trägt eine Mitverantwortung am Spionagevorwurf», hielt Strauss fest. Für sämtliche daraus folgenden Schäden und das «mediale Kesseltreiben» könne sie aber nicht verantwortlich gemacht werden.

Y.S. leidet seit seiner Verhaftung an Angststörungen und Depressionen. Von seinem Arbeitgeber ist er seit einem Jahr freigestellt. Eine Rückkehr zur Polizei ist nach dem Schuldspruch kaum denkbar.

*Name der Redaktion bekannt

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