Diebischer Polizist sieht sich als Held

Aktualisiert

Diebischer Polizist sieht sich als Held

Ein Wachtchef der Stadtpolizei Zürich soll ein als Fundstück abgegebenes Portemonnaie mit 470 Franken für sich eingesteckt haben. Vor Gericht widerrief er ein früheres Geständnis.

von
Attila Szenogrady

Es war am 1. April 2007, als eine Zürcher Seniorin zusammen mit ihrem Bruder die Regionalwache Oerlikon der Stadtpolizei Zürich aufsuchte. Die Dame hatte auf der Oerlikonerstrasse ein Portemonnaie mit Bargeld für 470 Franken gefunden. Laut Staatsanwaltschaft nahm ein Wachtchef das Fundstück entgegen. Allerdings gab der Polizeibeamte keine Quittung heraus und steckte das blaue Etui samt Geldbetrag in die linke Beintasche seiner Diensthose. In der Folge unterliess es der Ordnungshüter, die Brieftasche auf der Fundliste einzutragen.

Ehrliche Seniorin deckte Fall auf

Da die ehrliche Finderin keinen Beleg erhalten hatte, wurde sie misstrauisch. Wenige Tage später suchte sie erneut die Regionalwache auf und erkundigte sich nach dem Verbleib des gefundenen Portemonnaies. Als der Wachtchef erklärte, dass er die Rentnerin noch nie gesehen habe, platzte der Besucherin der Kragen. Sie beharrte hartnäckig auf ihrer Frage und machte damit auch die Berufskollegen des Wachtchefs hellhörig. Und auch die Staatsanwaltschaft, die ein Strafverfahren einleitete. Daran konnte das rätselhafte Auftauchen des vermissten Portemonnaies im Fundbüro am 17. April 2007 nichts mehr ändern. Das Fundstück gehörte einem deutschen Ingenieur, der seine Brieftasche auf offener Strasse verloren hatte. Er hat heute alles wieder zurück erhalten.

Zuerst ein Geständnis abgelegt

Fest steht, dass der verdächtige Wachtchef nach anfänglichem Bestreiten ein umfassendes Geständnis vor der Staatsanwaltschaft ablegte. Er sprach dabei von einem grossen Fehler und einer ebenso grossen Dummheit, die er begangen habe. Die Anklagebehörde erstellte darauf einen Strafbefehl, worauf der Angeklagte erfuhr, dass ihm bei der Rechtskraft des Entscheides die fristlose Kündigung drohte. Weshalb er Einsprache erhob und eine richterliche Beurteilung des Falles verlangte.

«Winkelried» für die Stadtpolizei gespielt

Am Mittwoch widerrief der Angeklagte seine ursprünglichen Zugaben vor Gericht umfassend und erklärte, dass er das Portemonnaie gar nicht entgegengenommen habe. Er habe das «falsche» Geständnis bloss abgelegt, um die Stadtpolizei in der Öffentlichkeit vor einem schlechten Ruf zu bewahren, erklärte er. Sein Verteidiger sagte dazu, dass sein Mandant für die Stadtpolizei gar einen «Arnold Winkelried» gespielt und die gesamte Verantwortung auf sich genommen habe. Dabei habe sich der Angeklagte gedacht, dass er sich ein falsches Geständnis mit erträglichen Folgen leisten könne, führte der Rechtsanwalt aus und forderte einen vollen Freispruch.

Im Gegensatz zum anwesenden Staatsanwalt, der wegen Veruntreuung eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 130 Franken, also insgesamt 11 700 Franken auf Bewährung, sowie eine Busse von 1 200 Franken forderte. Der Ankläger verwies nicht nur auf das glaubhafte sowie emotionale Geständnis des Angeklagten, sondern auch auf eine belastende Zeugenaussage des Bruders der Finderin. Dieser hatte den Angeklagten mit einer grossen Wahrscheinlichkeit als Empfänger des Fundstücks identifiziert.

Bei Schuldspruch droht das Ende der polizeilichen Karriere

Das Gericht kam am Mittwoch noch zu keinem Urteil. Es wird den Entscheid den Parteien schriftlich zustellen. Am Prozess wurde bekannt, dass der Angeklagte nach einer ersten Freistellung heute wieder als Wachtchef im Amt steht. Allerdings droht ihm bei einem Schuldspruch sehr wahrscheinlich das Ende seiner polizeilichen Karriere. So ist gegen ihn auch ein internes Administrativverfahren hängig.

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