Wahlkampf im Netz: Diese Partei schlägt die SVP und die SP

Aktualisiert

Wahlkampf im NetzDiese Partei schlägt die SVP und die SP

Bei den Wahlen fährt sie nur Niederlagen ein, mit ihrer Website lässt die CVP aber alle grossen Parteien hinter sich. Dies zeigt eine Experten-Analyse.

von
Antonio Fumagalli

Bei kantonalen Parlaments- und Regierungsratswahlen hat die CVP derzeit wenig zu lachen. An ihrer Internetpräsenz kann das schlechte Abschneiden allerdings nicht liegen: Im World Wide Web lässt sie ihre härtesten Konkurrenten klar hinter sich. «Die Seite überzeugt mit Reduktion und einfachem, aber ansprechendem Design. Zusammenhänge werden bewusst dargestellt und die Botschaften sind klar», sagt Thomas Link, Creative Director bei Namics. Das renommierte IT-Unternehmen hat im Auftrag von 20 Minuten Online die Homepages der fünf grössten Schweizer Parteien – SVP, SP, FDP, CVP und Grüne – akribisch unter die Lupe genommen (siehe Infobox).

Ein gutes halbes Jahr vor den richtungsweisenden eidgenössischen Wahlen schwingt die CVP in vier von sechs untersuchten Hauptkategorien obenaus und verweist damit die SVP auf den zweiten Platz. Sie punktet beispielsweise beim sogenannten «Agenda Setting», einer absoluten Kernaufgabe einer Partei: Wer es schafft, seine Themenschwerpunkte möglichst effizient unters Volk zu mischen, kann die öffentliche Diskussion und damit letztendlich die Gesetzgebung beeinflussen. Grundsätzlich gleichen sich in dieser Hinsicht die Homepages: Alle präsentieren ihre Kernthemen mittels «Karusselltechnik» prominent auf der Frontseite. Dennoch hat die CVP die Oberhand: «Sie schafft es, den Eindruck zu vermitteln, dass mehr als nur Pressemeldungen publiziert werden», so Designer Link.

Der Dialog bleibt aus

Wer hingegen als Besucher auf interaktiven Dialog hofft, wird von allen Parteien enttäuscht. Keine schöpft die Möglichkeiten des Mediums aus. Auf der Homepage der Grünen beispielsweise muss sich zuerst registrieren, wer einen Kommentar abgeben möchte. Wenig erstaunlich hat es nur vereinzelte. Am ehesten vermögen noch SP und SVP zu überzeugen: «Die beiden Parteien nutzen Social Media am erfolgreichsten. Besonders lobenswert ist der Youtube-Channel der SVP, der aktiv betrieben wird», sagt Studienleiter Link.

Auch innerparteilich funktioniert die Interaktivität nur beschränkt: Auf den nationalen Webseiten sind kaum Inhalte der Lokalsektionen zu finden. «Ein Problem der ungeklärten Verantwortlichkeiten, wie wir es auch in Unternehmen immer wieder erleben», sagt Andreas Hämmerli, Mitverfasser der Expertise.

Wenig Ressourcen scheinen die Parteien in die Verbesserung ihrer Suchtreffer zu investieren – in den gängigen Suchmaschinen hat auf jeden Fall keine die Hoheit über ihre eigenen Themen. Wer zum Beispiel bei Google «Gesundheitspolitik FDP» eingibt, erhält trotz der Einschränkung auf Schweizer Suchtreffer erst an zwölfter Stelle den Link zur nationalen Homepage der FDP. Um in den Suchresultaten nach oben zu gelangen, sind insbesondere Verlinkungen auf fremden Seiten entscheidend, eine Optimierung der eigenen Page reicht dafür nicht. Thomas Link: «Bei deutschen Parteien haben wir zwei Jahre gebraucht, um von der zwölften auf die erste Position zu gelangen.»

Die «Ordnungsmanie» der SP

Besser gelingt die Benutzerfreundlichkeit der Partei-Homepages, allen Seiten ist eine bedienbare Navigation zu bescheinigen. Bei der SP fällt allerdings die «offensichtliche Ordnungs- und Strukturierungsmanie» negativ ins Gewicht. Die Seite wirkt mit Inhalten, die teilweise bis ins Jahr 2001 zurückreichen, total überladen. «Vielleicht getrauen sie sich wegen ihres Slogans nicht, auch mal Nein zu sagen», sagt Thomas Link augenzwinkernd in Bezug auf das prominent im Logo prangende Ja-Dogma der Sozialisten. Besser macht es wiederum die CVP: Ihre Page besticht durch «einfache Navigation und klare Struktur».

Die optische Aufmachung einer Webseite ist zwangsläufig das subjektivste Kriterium einer Expertise. Eine allgemeine Aussage kann dennoch gemacht werden: Das Design der Homepage der SVP – der ehemaligen Bauernpartei – sieht laut Namics «deutlich hausgemacht und fast schon unprofessionell» aus. Ganz im Gegensatz zum «professionellen und ästhetischen Auftritt» von CVP und Grünen. In einem anderen Bereich übertrumpft die SVP hingegen alle: Sie setzt – bewusst oder unbewusst – auf Mechanismen des Neuro-Marketings, also auf emotionale Elemente, denen sich der User kaum entziehen kann. Ein Beispiel ist die Darstellung des «Vertrages mit dem Volk», der juristisch zwar absolut nichtig ist, dank Siegel und Pergament aber symbolisch stark wirkt.

In einem Punkt müssen allerdings alle Parteien nachsitzen: Keine einzige nationale Homepage wird in einer umfassenden Form auf Italienisch angeboten – nicht gerade ein Vertrauensbeweis gegenüber einem Landesteil, der sich auf politischer Ebene ohnehin vernachlässigt fühlt.

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Das Vorgehen

Sogenannte Web-Assessments, die Beurteilung eines Internet-Auftritts anhand objektiv messbarer und unterschiedlich gewichteter Kriterien, gehören zum Tagesgeschäft von Namics. Sie wurden in Zusammenarbeit mit der Hochschule St. Gallen entwickelt und sind normalerweise an Unternehmen gerichtet – im vorliegenden Fall wurden die Kriterien deswegen noch leicht an die ungleichen Ansprüche an den Auftritt einer politischen Gruppierung angepasst.

Die Experten

Namics ist ein führender Webdienstleister in der Schweiz mit starker Präsenz in Deutschland. In St. Gallen, Zürich, Frankfurt, Hamburg und München bieten 310 Mitarbeiter Services für E-Business und Markenkommunikation an.

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