WM in FrankreichDiese Spielerinnen musst du im Auge behalten
Sie protestieren, sie zaubern, sie existieren als Barbie-Puppen: Fünf spezielle Figuren der K.-o.-Phase.
- von
- Marcel Rohner
Läuft an, trickst zweimal, lässt eine Gegnerin ins Leere rutschen und trifft: Ajara Nchouts 2:1 gegen Neuseeland. (Video: Fifa-TV via Youtube)
Wir sind bei der Hälfte der WM in Frankreich angelangt. Und wir haben schon einiges gesehen: viel Videobeweis, schöne Tore, verrückte Eigentore, hohe Siege, knappe Niederlagen, Tränen und Jubel. 16 Mannschaften sind noch dabei, wenn es ab Samstag mit dem Achtelfinal weitergeht. Uns erwarten spannende Duelle, Frankreich trifft beispielsweise auf Brasilien, Schweden auf Kanada und Spanien auf die USA. Wir haben fünf spezielle Spielerinnen herausgepickt.
Sara Gama – Von ihr gibt es eine Barbie-Puppe

Hoch soll sie leben: Mitspielerinnen feiern ihren Captain Sara Gama. Bild: Getty Images
Als dunkelhäutiger Sportler hat man es in Italien wohl gerade schwerer als in anderen Ländern. Das weiss Mario Balotelli, das weiss Moise Kean, das wissen viele Afrikaner, die in den Stadien Italiens schon Rassismus in Form von Affenlauten erfahren mussten. Und auch Sara Gama kennt es. Die Innenverteidigerin stammt aus Triest in Norditalien, ist 30-jährig, hat ihr ganzes Leben in Italien verbracht, spricht die Sprache akzentfrei. Ihr Vater ist Kongolese. Rassismus begleitet sie überallhin, vor allem in den sozialen Medien ist er allgegenwärtig.
Doch die Verteidigerin von Juventus Turin hat allen anderen Spielerinnen an dieser WM etwas voraus: Sie gibt es als Barbie-Puppe. Zum 60-Jahr-Jubiläum des internationalen Frauentags lancierte Mattel eine spezielle Sheroes-Serie (She + Hero [Held]), 20 Vorbilder in Puppenversion. Die Tennisspielerin Naomi Osaka, die querschnittgelähmte Radfahrerin Kristina Vogel und die Snowboarderin Chloe Kim gehören ebenfalls dazu, genauso wie Regisseurin Ava Duvernay, die gerade mit der Netflix-Serie «When They See Us» durchstartet.
Gama gehört nicht nur zu dieser illustren Liste, weil sie sich im Fussball durchzusetzen vermochte. Sie hat an der Universität von Udine Fremdsprachen und Literatur abgeschlossen, und sie ist Präsidentin der nationalen Kommission für die Entwicklung des Frauenfussballs in Italien.
Marta – Sie jubelt ohne Schuhmarke

Schaut her, kein Logo! Marta protestiert an der WM auf ihre Art. Bild: Getty Images
Zuweilen erscheint Marta etwas wütend. Sei es, weil man sie nicht nach dem Torrekord von Miroslav Klose fragt, sei es wegen des Videobeweises oder wegen ihrer Schuhe. Wenn sie ein Tor bejubelt, zeigt die wohl beste Fussballerin je auf ihr Schuhwerk. Denn dort steht: Nichts. Kein Nike, kein Adidas, kein Puma oder sonst etwas Wildes, einfach nichts.
Damit protestiert die Brasilianerin, es geht um Geld. Marta war vor der WM in Verhandlungen mit den grossen Sportartikelherstellern, sie brach alle Gespräche ab. Weil sie in ihren Augen zu wenig Geld dafür kassieren würde, wenn sie ihre Tore mit einem Markenschuh erzielt.
Nun, auch ohne Logo auf dem Schuh hat Marta dazu beigetragen, dass Brasilien im Achtelfinal steht, ohne den verwandelten Penalty gegen Italien wäre es eng geworden. Weil Brasilien aber als einer der Gruppendritten in den Achtelfinal kam, wartet jetzt ein ganz schwerer Brocken: Mitfavorit und Gastgeber Frankreich. Ein WM-Titel wäre für Marta eine Premiere, genauso wie für Brasilien. Dafür muss sie noch oft auf ihren Schuh zeigen.
Megan Rapinoe – Sie kniet gegen Trump

Die Kolleginnen singen, sie schweigt: Megan Rapinoe bei der amerikanischen Hymne. Bild: Getty Images
Bei den USA purzeln die Rekorde von Spiel zu Spiel. Mit einem Torverhältnis von 18:0 zogen die Amerikanerinnen in den Achtelfinal ein, es wird nicht einfach, das Team noch an der erfolgreichen Titelverteidigung zu hindern. Sollte dieser Fall eintreffen, dürfte eine Einladung von Donald Trump kommen. Wie das bei amerikanischen Erfolgen so üblich ist, gäbe es einen Empfang im Weissen Haus. Mindestens eine Spielerin würde da fehlen: Megan Rapinoe.
Rapinoe, die zwei Tage vor dem WM-Final 34 wird, gehört zu den erfahrensten Spielerinnen ihrer Truppe. 150 Länderspiele hat sie schon absolviert, 43 Tore geschossen. Rapinoe aber ist auch eine Frau, die kein Geheimnis um ihre politische Gesinnung – und damit um die Abneigung gegenüber Trump – macht.
Die Stürmerin war die erste weisse Athletin, die während der US-Hymne niederkniete, sie sagte, sie würde diese auch nie mehr singen. Das Knien bei der Nationalhymne wurde von Footballer Colin Kaepernick initiiert, um auf die Polizeigewalt gegen Dunkelhäutige aufmerksam zu machen. Rapinoe zog mit, sagte, dass sie als lesbische Amerikanerin wisse, wie es sei, auf die Flagge zu schauen und zu wissen, dass man nicht alle Freiheiten habe.
Ajara Nchout – Sie zaubert für Kamerun

Trägt die Flagge und ihr Team in den Achtelfinal: Ajara Nchout aus Kamerun. Bild: Getty Images
Das WM-Märchen schien schon vorbei. Etwas unbeholfen hatte Aurelle Awona den Ball zehn Minuten vor Schluss ins eigene Netz gezimmert. Kamerun stand vor dem Aus, ein 1:1 gegen Neuseeland war zu wenig. Dann kam die Frau mit den acht blonden Strähnen in ihren schwarzen Dreadlocks – und man fragte sich, woher Ajara Nchout nach 95 Minuten Fussball diese Lockerheit noch ausgrub.
Die Spielerin mit der Nummer 3 wurde also in der letzten Spielminute lanciert. Die Ballannahme: Routine. Der erste Haken: gekonnt. Der zweite: noch besser. Der Schlenzer: elegant. Als gäbe es nichts Einfacheres auf dieser Welt, erzielte Nchout ihr zweites WM-Tor, mit dem Rücken zur Wand, es war auch ihr zweites in diesem entscheidenden Spiel (Video oben). Logisch, wurde sie danach zur Spielerin des Spiels gekürt.
Kamerun steht zum zweiten Mal in seiner Geschichte in einem WM-Achtelfinal. Das gelang schon 2015 in Kanada, als das Team unter anderem die Schweiz bezwang. Nchout war da auch schon dabei. Nun treffen die Kamerunerinnen auf England – als wohl grösste Aussenseiterinnen in den Achtelfinals und als eines von zwei verbliebenen Teams aus Afrika. Vielleicht wühlt Ajara Nchout erneut in der Trickkiste. Ein Haken, zwei Haken, Tor?
Giulia Gwinn – Das neue Gesicht Deutschlands

Erlösung für Deutschland: Dank Giulia Gwinns (Nr. 15) erstem Tor glückt der Turnierauftakt. Bild: Getty Images
Die Frau ist eine Gewinnerin. Und das liegt nicht an ihrem Namen. Giulia Gwinn ist 19 Jahre jung und spielt für Deutschland, sie ist die deutsche Entdeckung dieser Weltmeisterschaft. Mit ihrem Tor bog sie den WM-Auftakt der Deutschen gegen China gerade noch so zurecht, begeisterte zudem mit ihrem enormen Laufpensum. Egal, wo sie von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg eingesetzt wurde.
Gwinn ist eigentlich eine Rechtsverteidigerin, prescht aber gerne auch auf der anderen Seite die Linie rauf und runter oder ist oft etwas weiter vorne auf dem Flügel anzutreffen. Sie ist das Gesicht eines jungen deutschen Teams, es ist ein Team für die Zukunft. Gerade in der Gruppenphase, als mit Dzsenifer Maroszan die Schlüsselspielerin ausfiel, brauchte es dieses Gesicht.
Übrigens: Giulia Gwinn ist ganz nah der Schweizer Grenze aufgewachsen, sie stammt aus Friedrichshafen am Bodensee. Sie macht nach der WM in Frankreich den Schritt, den deutsche Talente nun einmal oft tun, egal, ob Mann oder Frau: Sie wechselt vom SC Freiburg zu Bayern München.