«Impf-Gate»: Diesen Brief schrieb Lonza an Bundesrat Alain Berset

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«Impf-Gate»Diesen Brief schrieb Lonza an Bundesrat Alain Berset

Der Lonza-Verwaltungsratspräsident sagt, er habe zur Krisenbewältigung beitragen wollen – und sei beim Bund aufgelaufen. Dieser hält an seiner Darstellung fest, dass eine Produktionsstrasse nur für die Schweiz kein Thema gewesen sei.

von
Pascal Michel
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Mit diesem Schreiben nahm Lonza Kontakt mit dem Bundesrat auf.  

Mit diesem Schreiben nahm Lonza Kontakt mit dem Bundesrat auf.

Im Brief geht es um Investitionen in eine Impfstoffproduktion.

Im Brief geht es um Investitionen in eine Impfstoffproduktion.

Auch das knappe Protokoll des Treffens vom 1. Mai zwischen Lonza und Bund veröffentlichte das Innendepartement.

Auch das knappe Protokoll des Treffens vom 1. Mai zwischen Lonza und Bund veröffentlichte das Innendepartement.

Darum gehts

  • Hat der Bund doch eine grosse Chance verpasst, dank Lonza schneller zu Impfstoff zu kommen? Laut dem Lonza-Präsidenten Albert Baehny liess der Bund die Gespräche versanden.

  • Das Departement von Alain Berset reagiert: Es veröffentlicht einen ersten Brief Baehnys an den Bundesrat sowie ein Sitzungsprotokoll.

Der «Impf-Gate» ist um ein Kapitel reicher: Nachdem Bundesrat Alain Berset die Meldung des «Tages-Anzeigers» dementiert hatte, dass sich die Schweiz bei Lonza in Visp VS möglicherweise eine eigene Produktionslinie hätte sichern können, legt Lonza-Präsident Albert Baehny nach.

Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» bekräftigt dieser, dass er am 1. Mai 2020 bei einem Treffen mit dem Bund den Vorschlag zur Debatte gestellt habe. «Ich habe einige Ideen skizziert. Etwa, dass die Schweiz dank Lonza-Moderna eine führende Rolle im Kampf gegen Covid-19 und bei der Entwicklung von Impfstoffen anstreben könnte.» Dabei habe er auch – als eine von mehreren Optionen – die Idee in den Raum gestellt, dass der Bund für 60 Millionen eine eigene Produktionsstrasse aufbauen könnte. Diese hätte 100 Millionen Dosen produziert – mehr, als die Schweiz braucht. «Ich hatte die Vision, dass die Schweiz eine Geste machen und arme Länder mit Impfstoff unterstützen könnte. Es ist nicht dazu gekommen, mit dem BAG darüber zu reden.»

«Ich bin zum Bund gegangen als Schweizer Staatsbürger, der zur Krisenbewältigung beitragen will»

«Natürlich hätte der Bund dies mit Moderna verhandeln müssen. Ich sage nicht, dass es sicher geklappt hätte. Alles, was ich damals sagte, war, dass hier eine Möglichkeit bestehen könnte», sagt Baehny. Der Bund habe dann ziemlich früh Impfstoff bei Moderna bestellt – er habe aber nichts mehr vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gehört. Er sei perplex gewesen, weil er einen Dialog mit dem Bund angestrebt habe. «Ich bin zum Bund gegangen als Schweizer Staatsbürger, der zur Krisenbewältigung beitragen will.»

Das Innendepartement von Alain Berset hat am Sonntag auf die Darstellung Baehnys reagiert und den ersten Brief des Lonza-Präsidenten an Alain Berset und die damalige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga vom 14. April veröffentlicht, den 20 Minuten bereits gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz angefordert hatte. Auch das Protokoll des Treffens zwischen dem BAG und Lonza vom 1. Mai 2020 macht das Innendepartement publik.

«Eine Produktionsstrasse nur für die Schweiz war kein Thema»

Im Brief wurde eine eigene Produktionsstrasse nicht explizit erwähnt. Doch Baehny schrieb, dass die privilegierte Position von Lonza als Exklusiv-Partner von Moderna eine «bedeutende Chance und einen Vorteil für unser Land und unsere Bürger darstelle». Daraufhin arrangierte Berset ein Treffen zwischen den Lonza-Vertretern und dem BAG. Laut dem Protokoll der Sitzung suchte Lonza Investoren für zwei Produktionsstrassen für je 100 Millionen Impfdosen in Visp.

Der Bund stellt sich auf den Standpunkt, dass es «nur» um staatliche Investitionen gegangen sei. «Eine Produktionsstrasse nur für die Schweiz war kein Thema. Eine solche wäre auch nicht zielführend, da Lonza bloss einen Teil der Herstellungskette des Moderna-Impfstoffs sicherstellt und nicht über die Rechte am Impfstoff verfügt. Lonza kann also keine vorrangige Belieferung der Schweiz mit Impfstoff zusichern.»

Schnelle Verhandlungen mit Moderna

Die Gespräche zwischen dem Bund und Lonza seien noch gleichentags weitergeführt worden. Auf Anraten von Lonza habe man dann Kontakt mit Moderna aufgenommen. Schon am Montag, 4. Mai, sei ein erster Entwurf für ein verbindliches Memorandum of Understanding mit Moderna gestanden, um sich deren Impfstoff zu sichern. Am 9. Juni 2020 schloss der Bund mit Moderna ein verbindliches Memorandum of Understanding ab. Darin vereinbarten sie, dass die Schweiz von Moderna Impfstoff kauft. Zudem sollte Moderna in Visp mit Lonza produzieren und dort investieren. Der definitive Vertragsabschluss erfolgte am 6. August 2020.

Offen ist, ob die Lonza-Affäre noch politisch aufgearbeitet wird. Nach den ersten Enthüllungen hatte die bereits eine dringende Aufklärung des «Impf-Gate» mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ins Auge gefasst. Bürgerliche Politiker forderten ein Köpferollen bei der Direktion des Bundesamts für Gesundheit.

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