French OpenDjokovic stellt sich der Aufgabe seines Lebens
Es ist das Spiel der Spiele: Novak Djokovic gegen Rafael Nadal. Der Druck auf dem Serben ist so gross wie seine Sehnsucht nach dem French-Open-Titel.
- von
- Kai Müller
Kein Geringerer als John McEnroe greift zum Superlativ. «Es ist der grösste Viertelfinal, den es in der Tennisgeschichte gegeben hat», sagt der Amerikaner zur Affiche Novak Djokovic gegen Rafael Nadal. Sein Wort hat Gewicht, hat er die Historie dieses Sports doch zu einem anständigen Teil mitgeprägt.
Zwar sind sich der Serbe und der Spanier schon sechsmal begegnet in Roland Garros, einmal auch im Viertelfinal. Nur datiert diese Premiere von 2006, als Nadal Paris bereits regierte und Djokovic bei weitem noch nicht das war, was er heute ist: der beste Spieler der Welt.
Den Traum einer Generation zerstört
McEnroes Einschätzung ist keineswegs übertrieben. Das zeigt der Blick auf die Protagonisten. Hier der seit 26 Partien ungeschlagene Serbe, der seit Ende Oktober alle grossen Turniere, die er bestritt, als Sieger verlassen hat. Der die Weltrangliste mit riesigem Abstand anführt. Der die Gewissheit hat, derzeit quasi unbesiegbar zu sein. Dem aber eben ein gewichtiger Titel in seiner Sammlung fehlt, nach dem er seit Jahren trachtet: jener in Paris.
Dort der Gladiator aus Manacor, der neunfache French-Open-Champion, der 70 seiner 71 Partien an der Porte d'Auteuil erfolgreich gestaltet hat. Der – von der französischen Sportbibel «L'Equipe» wahlweise als «Monster» oder «Kannibale» bezeichnet – den Traum einer ganzen Tennisgeneration auf dem Gewissen hat, die die Coupe des Mousquetaires auch gerne einmal gestemmt hätte. Einzig 2009 fand er in Robin Söderling einen Bezwinger, wovon Roger Federer profitierte.
Die gescheiterten Legenden
Nun schickt sich also Djokovic an, Nadal zum zweiten Mal zu stürzen. Der Serbe ist aufgrund der vergangenen Monate – Nadal ist ohne grossen Sandtitel angereist – zu favorisieren. Allerdings hat er sich eine gewaltige Bürde auferlegt, als er die French Open zu jenem Ziel erklärte, das 2015 über allem steht. Schliesslich geht es für den 28-Jährigen darum, endlich den Karriere-Grand-Slam zu komplettieren.
Ausgerechnet in Paris sahen sich jedoch schon einige Legenden an dieser Aufgabe scheitern. Pete Sampras und Jimmy Connors etwa. Oder Boris Becker. Der Deutsche ist inzwischen Cheftrainer von Djokovic und soll ihm dabei helfen, die mentale Herausforderung zu meistern.
Apropos, da sind sich die Fachleute einig: Es gab und gibt im Tennis keine grössere Herausforderung, als Nadal an seinem Lieblingsturnier in die Knie zu zwingen. «Gegen Nadal in Paris zu spielen ist etwas ganz anderes als anderswo», sagt Djokovic, der den letzten Vergleich auf Sand Mitte April 6:3, 6:3 für sich entschied. Aber eben in Monaco. «Das wird zweifellos der schwierigste Viertelfinal meiner Karriere», ist er sich sicher.
Fällt Nadals Festung an seinem 29. Geburtstag?
Nadal sieht das ähnlich, wobei das keine Überraschung ist. Der Weltranglistensiebte ist zwar ein Meister des Understatements, diesmal aber für einmal nicht der Favorit. «Ich bin ein Gegner wie jeder andere und versuche, Novak das Leben so schwer wie möglich zu machen», sagt er. Vielleicht hilft Nadal der Blick zurück. Er hat alle sechs Vergleiche mit Djokovic in Paris gewonnen. Selbst den epischen Halbfinal 2013, als der Serbe im fünften Satz mit Break führte, Nadal jedoch zurückschlug und schliesslich zu einem 9:7 kam. Es ist bis heute Djokovics bitterste Niederlage geblieben.
Ob sich der Gummimann, dessen Bändern, Sehnen und Gelenken keine Belastung zuwider scheint, dafür revanchieren kann, wird der heutige Nachmittag weisen. Nadal wird auf jeden Fall wie ein Stier um seinen Thron kämpfen, so viel ist sicher. Wer will sich schon ausgerechnet an seinem 29. Geburtstag aus seinem Revier vertreiben lassen?