Ukaine-Krieg: Hochhaus in Kiew nach Raketentreffer wieder wie neu

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Nach RaketeneinschlagDoch, dieses Hochhaus in Kiew sieht heute wieder wie neu aus

Einige der zu Beginn des Kriegs in der Ukraine zerstörten und beschädigten Gebäude wurden inzwischen repariert. Das wollen manche Menschen nicht wahrhaben und behaupten, die Häuser seien nie beschossen worden.

von
Fee Anabelle Riebeling
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Diese Vorher-Nachher-Gegenüberstellung zeigt ein und dasselbe Kiewer Gebäude – einmal kurz nach dem Einschlag einer russischen Rakete am 26. Februar 2022 und einmal knapp ein Jahr später. 

Diese Vorher-Nachher-Gegenüberstellung zeigt ein und dasselbe Kiewer Gebäude – einmal kurz nach dem Einschlag einer russischen Rakete am 26. Februar 2022 und einmal knapp ein Jahr später. 

Twitter/@Mariana_Betsa
Glauben kann – oder will – das nicht jeder. So spielt etwa der russlandfreundliche Account @openeysdown in seinem Retweet darauf an, dass er die Reparatur eines solchen Schadens innerhalb eines Jahres im Reich der Zauberei verortet.

Glauben kann – oder will – das nicht jeder. So spielt etwa der russlandfreundliche Account @openeysdown in seinem Retweet darauf an, dass er die Reparatur eines solchen Schadens innerhalb eines Jahres im Reich der Zauberei verortet.

Twitter/@openeysdown
Doch an dem Vorher-Nachher-Vergleich ist nichts Verwerfliches. Der Raketeneinschlag hat tatsächlich stattgefunden. Das bestätigt etwa dieser Screenshot aus dem von einer Überwachungskamera aufgenommenen Video, das unter anderem auf dem Telegram-Konto des Kiewer Bürgermeisters Witali Klitschko gepostet wurde.

Doch an dem Vorher-Nachher-Vergleich ist nichts Verwerfliches. Der Raketeneinschlag hat tatsächlich stattgefunden. Das bestätigt etwa dieser Screenshot aus dem von einer Überwachungskamera aufgenommenen Video, das unter anderem auf dem Telegram-Konto des Kiewer Bürgermeisters Witali Klitschko gepostet wurde.

AFP PHOTO/Telegram/@VITALIY_KLITSCHKO

Darum gehts

  • Auf Social Media kursiert die Behauptung, die kriegsbedingten Schäden an einem Gebäude in Kiew seien inszeniert worden. 

  • Die Behauptung entbehrt jedoch jeder Grundlage, sie ist falsch. 

  • Das beweisen verschiedene Fotos, Videos und Berichte von dem Einschlag, den dabei entstandenen Schäden und den Wiederherstellungsarbeiten am Gebäude. 

Obwohl der russische Angriffskrieg in der Ukraine andauert, haben im Land die Aufräumarbeiten längst begonnen. An manchen Orten sind sie sogar bereits abgeschlossen. Etwa die an dem Hochhaus an der Walerij-Lobanowskyj-Allee 6-A in Kiew. Das Gebäude wurde am 26. Februar 2022 von einer russischen Rakete getroffen. Dabei wurden laut der ukrainischen Newsplattform Novynarnia.com «fünf Wohnungen zerstört und 16 Wohnungen im 17. bis 21. Stock beschädigt».

Gut ein Jahr später ist davon nichts mehr zu sehen, wie ein unter anderem von Mariana Betsa getweeteter Vorher-Nachher-Vergleich zeigt. Die Aufnahme, die das Gebäude mit dem klaffenden Loch in der Fassade zeigt, ist auf Februar 2022 datiert. Das Foto, das das Gebäude ohne Beschädigung zeigt, ist mit Februar 2023 angeschrieben. «Recovery of Ukraine in action», schrieb die Botschafterin der Ukraine in Estland dazu.

Vorher-Nachher-Bilder wecken Zweifel – zu Unrecht

Doch nicht alle Menschen wollen das glauben. So kommentiert etwa der russlandfreundliche Account @openeysdown seinen Retweet: «Harry Potter und das sich selbst reparierende Hochhaus.» Damit deutet er an, dass er die Reparatur eines solchen Schadens innerhalb eines Jahres im Reich der Zauberei verortet. Oder anders ausgedrückt: Die von Betsa gezeigte Entwicklung kann aus Sicht des Users nicht stattgefunden haben. Da das Gebäude heute kein Loch aufweist – «es wurde letzte Woche von einem deutschen Journalisten aufgenommen», so sein Argument –, muss also die Vorher-Version gefälscht sein.

Dass der User so denkt, wird in den Kommentaren unter seinem Post noch deutlicher. Doch seine Behauptung ist falsch. Genauso wie die von einem seiner Follower aufgeworfene Andeutung, die Vorher- und Nachher-Aufnahme könnten vertauscht worden sein. Sowohl der Raketeneinschlag, die dabei entstandenen Schäden und die Reparaturarbeiten sind gut dokumentiert und können auch aus der Ferne nachvollzogen werden.

Der Raketeneinschlag

Es gibt keinen Zweifel daran, dass eine Rakete das Hochhaus getroffen hat. Mehrere Videos, hauptsächlich Überwachungskameras an anderen Gebäuden, zeigen den Moment des Einschlags:

Einige der Überwachungskamera-Aufnahmen sind in diesem 20-Minuten-Video vom 26. Februar 2022 zu sehen.

20min/dsc

In diesem Video ist der Einschlag aus einer betroffenen Wohnung in dem Gebäude zu sehen. Aufgezeichnet hat die Szene eine Baby-Cam:

Die einzelnen Videos wurden alle auch von der Nachrichtenagentur Reuters geprüft und als Compilation verbreitet.

Während kein Zweifel daran besteht, dass das Gebäude am 26. Februar 2022 von einer Rakete getroffen wurde, ist bis heute unklar, ob das Haus das eigentliche Ziel war. Da es sich in der Nähe des Flughafens Kiew-Schuljany befindet, ist nicht auszuschliessen, dass eigentlich dieser hätte getroffen werden sollen.

Der Flughafen und das getroffene Hochhaus liegen zwei Kilometer Luftlinie auseinander.

Der Flughafen und das getroffene Hochhaus liegen zwei Kilometer Luftlinie auseinander.

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Die Schäden

Gut dokumentiert ist auch das Ausmass des durch den Raketeneinschlag entstandenen Schadens. Verschiedene Aussenansichten des getroffenen Gebäudes finden sich etwa bei den Bilddatenbanken der Agenturen Reuters und AFP, genauso wie Bilder, die Retter bei der Bergung von bei dem Einschlag verletzten Personen zeigen. Darauf und auch in einem von der ukrainischen Journalistin Olga Tokariuk auf Twitter geposteten Video sind auch viele Trümmerteile auf der Strasse zu sehen. Genauso wie in diesem Clip: 

Der Auslandskorrespondent der «Los Angeles Times» teilte auf seinem Twitter-Account ein Video aus einer bei dem Einschlag beschädigten Wohnung. Diese sei «nicht so zerstört wie die anderen», erklärt er darin. Die darunterliegenden seien komplett zerstört.

Dass er sich tatsächlich in dem Hochhaus in der Walerij-Lobanowskyj-Allee 6-A in Kiew befindet, zeigt der Vergleich mit dem von Reuters angebotenen Bildern (siehe Bildstrecke oben). Darauf sind durch das Loch in der Fassade eindeutig die im Video zu sehenden Wohnzimmer-Vorhänge (Minute 0:04) sowie die auffällige Deckenlampe (Minute 0:09) zu erkennen.

In einem von Novynarnia.com verbreiteten Youtube-Video zeigen Drohnenaufnahmen, wie sich die Trümmer des Hauses auf der Strasse und dem Vordach verteilt haben: 

Die Reparaturarbeiten

Einen solch grossen Schaden, noch dazu in der Höhe, zu beheben, ist eine Herausforderung. Aber eine, die machbar ist. Auch dafür gibt es zahlreiche Belege. Eine recht detaillierte Begleitung der Arbeiten findet sich zum Beispiel auf The-village.com.ua: Hier geben Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch Betreiber von Unternehmen darüber Auskunft, «wie es möglich ist, parallel zu den Abrissarbeiten in dem Gebäude zu leben und zu arbeiten». Zudem finden sich dort Bilder von einzelnen Bauschritten und Angaben zur Finanzierung der Arbeiten.

Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Medien beschlossen die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses im Mai 2022, auf eigene Kosten mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Sie sammelten Spenden und gaben rund 1,5 Millionen Hrywnja (umgerechnet 37’850 Franken) für die Beseitigung von Trümmern und die Verstärkung der zerstörten Böden aus. Doch dann wurde bei einer Begehung der Baubehörde klar: Die oberen Etagen müssen abgerissen und neu errichtet werden. Die Kosten dafür versprach die Stadt Kiew zu übernehmen. Fachleute rechnen mit rund 57 Millionen Hrywnja (1’438’389 Franken). 

Wie Mimikama.at unter Berufung auf den ukrainischen Sender Novyny Live schreibt, haben die Bauarbeiten im Sommer Fahrt aufgenommen, im November sei der gröbste Teil bereits wiederhergestellt gewesen. Bilder aus dieser Zeit bestätigen das, wie auf Novynarnia.com zu sehen ist. Witali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, versicherte damals laut der Plattform, dass die komplette Wiederherstellung des Gebäudes im Frühjahr 2023 abgeschlossen sei. So sagte es auch Oleksandr Akimov, Leiter der städtischen Immobilien- und Baufirma Zhytloinvestbud-UKB, gegenüber Dw.com. Ein Versprechen, das – so zeigt es der Vorher-Nachher-Vergleich – eingelöst wurde.

Wie sich das Gebäude über die Monate entwickelt hat, zeigt folgendes Zeitraffer-Gif: 

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