Alkohol bei ElternDürfen Eltern trinken? – «Alkohol beim Essen oder zum Apéro ist okay»
Viele Kinder in der Schweiz wachsen bei Eltern auf, die alkoholabhängig sind. Doch auch absolute Abstinenz muss nicht sein – Eltern könnten ihren Kindern den Genuss von Alkohol vorleben.

- von
- Christina Pirskanen
Sabi (38) wuchs mit einem alkoholkranken Vater auf. Im Video erzählt sie, wie sie damit umging.
Darum gehts
In der Schweiz wachsen gemäss Schätzungen 100’000 Kinder bei suchtkranken Eltern auf.
Absolute Abstinenz seitens der Eltern sei aber auch nicht nötig.
Alkoholkonsum vor den Kindern bei einem Apéro oder Essen sei kein Problem.
Seien die Kinder dann noch bei einer Bezugsperson sicher aufgehoben, spreche auch nichts gegen ein Glas mehr.
Konsumieren Eltern übermässig viel Alkohol, kann das für die Zukunft ihrer Kinder fatale Folgen haben. Schätzungsweise 100’000 Kinder wachsen in der Schweiz in einem Elternhaus auf, das von Alkohol oder anderen Substanzen schwer belastet ist, sagt Markus Meury von Sucht Schweiz gegenüber 20 Minuten.
Doch nicht alle Eltern, die gerne mal ein Glas zu viel trinken oder ab und zu am Wochenende feiern gehen, sind gleich schlechte Eltern und alkoholabhängig. Wo verläuft die Grenze? Ist es okay und verantwortungsbewusst, berauscht auf sein Kind aufzupassen?
«Alkoholkonsum zum Essen ist kein Problem»
Nadine Chaignat ist Gründerin und Inhaberin der Plattform «Mamas Unplugged». Damit will sie Erkenntnisse und Einsichten des Mutterseins teilen. «Regelmässiger und übermässiger Alkoholkonsum soll nicht bagatellisiert werden», sagt Chaignat. Als Eltern sei es ihr und ihrem Team wichtig, einen bewussten und authentischen Umgang mit Alkohol vorzuleben. «Alkoholkonsum zu einem Essen oder Apéro in Anwesenheit der Kinder finden wir kein Problem», sagt sie. Sie würden aber nicht wollen, dass Kinder sie in betrunkenem Zustand erleben würden.
Einige aus Chaignats Redaktionsteam hätten auch die Erfahrung gemacht, dass sich vertraute Bezugspersonen unter Alkoholeinfluss anders verhalten hätten, sodass ihnen als Kind unwohl geworden sei. «Das war ein Grund, weshalb sie während mehrerer Jahre nie getrunken hätten, solange sie die Verantwortung für die Kinder nicht abgeben konnten», sagt Chaignat.
Kesb kann Massnahmen ergreifen
Die Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz Kescha berät Personen, die von einer Massnahme des Kindes- oder Erwachsenenschutzes (Kesb) betroffen sind. Gemäss Berater Bruno Roelli wird die Kesb normalerweise über eine Gefährdungsmeldung auf Problematiken wie bei Kindern mit alkoholkranken Eltern aufmerksam gemacht. Diese Meldung könne grundsätzlich von jedermann kommen. Gestützt auf dieses Gesetz sei die Kesb dann verpflichtet, den Sachverhalt abzuklären. Zudem müssten die Betroffenen angehört werden. Die Folgemassnahmen kämen auf das Mass der Gefährdung an, welches die Abklärungen ergeben hätten. Im schlimmsten Fall könne den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und das Kind fremdplatziert werden. Die Gefährdung des Kindes müsse aber derart hoch sein, dass eine Beistandschaft nicht ausreiche und eine weitere Beobachtungs-, respektive Abklärungsperiode die Gefahr, in welcher sich das Kind befinde, nicht genug abwende, so Roelli.
Reflexion und Disziplin
Wichtig sei auch die Frage, weshalb man Alkohol trinkt. Für den Genuss? Um Stress abzubauen? Um nicht als Aussenseiterin oder Aussenseiter zu gelten? Barbara, die auch Teil des «Mamas Unplugged»-Team ist, erzählt, dass dies in ihrer Beziehung öfters Thema gewesen sei: «Wir trinken gerne genüsslich Wein und haben dies in den letzten Wochen öfters gemacht – auch unter der Woche.» Wenn aber der Fokus beim Stressabbau liege und nicht mehr beim Genuss, dann hätten sie als Paar eine Strategie entwickelt.
Das Paar reflektiere und sei sich der Tendenz bewusst und verzichte daher dann bewusst darauf, eine Flasche zu öffnen oder fertig zu trinken – auch wenn die Lust dazu gross wäre. «Es braucht ein Gespür für seinen eigenen Körper, eine Reflexionsfähigkeit und dann auch die Disziplin, die Mengen runterzuschrauben, wenn man merkt, dass es zu viel wird», schlussfolgert Barbara.
Eltern leben ihren Kindern Genuss vor
Auch beim Elternnotruf ist die Problematik mit Alkohol bekannt – aber ein moderater Konsum ist durchaus in Ordnung. «Eltern leben ihren Kindern vor und prägen diese, wie sie Genuss erleben und gestalten, dazu gehört auch der Umgang mit Alkohol», sagen Martina Schmid und Matthias Gysel, Beraterin und Berater beim Elternnotruf. Eine wichtige Aufgabe der Eltern sei es, für ihre Kinder verlässlich da zu sein. «In betrunkenem Zustand ist dies nicht möglich», sagt Schmid. «Solange die Kinder sicher bei Bezugspersonen aufgehoben sind, spricht aber nichts gegen ein Glas mehr.»
Gehst du trotz Kindern noch in den Ausgang?
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Probleme mit Alkohol?
Hier findest du Hilfe:
Blaues Kreuz Schweiz, Beratungsstellen
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Anonyme Alkoholiker, Tel. 0848 848 885
Feel-ok, Informationen für Jugendliche
My Drink Control, Selbsttest
Vergiftungsnotfälle, Tel. 145
Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen
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